Polaris
bis ich wieder in der Kabine bin.« Ich versuchte, die Tür gegen den Wind aufzuhalten. »Falls etwas schief geht…«
»Was?«
»Nichts. Vergiss es.« Es gab so oder so keinen Ausweg für ihn.
Ein Teil der Sicherungsleine war mitternachtsblau, zusammengesetzt aus Stoffstreifen der teuersten Bluse, die ich besaß. Ich seufzte und kletterte zur Tür hinaus. Der Wind heulte. Ich war nicht wirklich auf die Sache vorbereitet, nehme ich an. Er erwischte mich und riss mich vom Rumpf fort, schleuderte mich teilweise aus der Blase heraus. Mein Gewicht kehrte zurück, und mein Unterkörper fühlte sich an wie ein Sack Ziegelsteine. Der Gleiter stieg immer noch, und er zerrte mich hinter sich her. Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich mehrere Tausend Meter hoch in der Luft baumelte.
Ich hatte die Dinge nicht gut durchdacht. Die Leine hatte ich um meine Taille gewickelt, statt sie unter den Armen zu verknoten, und als sie sich gespannt hatte, war mir die Atemluft aus den Lungen entfleucht. Ich brauchte eine Minute, um mich wieder zu sammeln. Dann fing ich an, mich, Hand über Hand, an der Leine entlang zurück zum Gleiter zu hangeln. Der Sog war furchtbar, aber ich hatte immerhin klug gehandelt (oder Glück gehabt), als ich die Leine nur so lang gemacht hatte, wie sie sein musste. Wäre ich ganz aus der Blase herausgeschleudert worden, so wäre ich nicht fähig gewesen zurückzukehren.
Während ich kletterte, erbarmte sich das Antigravitationsfeld wieder meiner Hüften und Beine, und das Gewicht fiel von mir ab. Ich packte eine Kufe, kletterte hinauf und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Nun hatte ich Zugriff auf die Unterseite des Luftfahrzeugs. Es war nicht schön gewesen, aber ich war angekommen.
Jede Kapsel hatte eine eigene Zugangsklappe. Ich hätte gern beide geöffnet und die Verkabelung, die zu der Steuereinheit führt, repariert. Die vordere Kapsel war leicht erreichbar; aber an die am Heck kam ich unmöglich dran, weil die Kufe nicht so weit nach hinten reichte, und ich konnte mich wegen des Windes nicht einfach nach hinten treiben lassen. Abgesehen davon, dass die Leine nicht lang genug war.
Das Atmen fiel mir zunehmend schwerer. Dunkelheit sammelte sich allmählich an den Rändern meines Blickfelds. Ich zog den Schlüssel aus der Tasche – mit größer Vorsicht, damit der Wind ihn nicht fortwehen konnte – und drückte auf den purpurroten Knopf. Beide Klappen öffneten sich.
In der vorderen Kapsel konnte ich das lose Kabel erkennen. Die Sache war ganz einfach: Ich hing mit einer Hand an einer Strebe und schloss es wieder an. (Die Abisolierzange hatte ich für den Fall mitgebracht, dass ich das Kabel irgendwo mittendrin hätte neu verbinden müssen.) Was hingegen die hintere Kapsel betraf, so konnte ich rein gar nichts tun.
Als ich fertig war, schloss ich die Klappen.
Wir stiegen natürlich immer noch auf. Gerade jetzt passierten wir eine Wolke, und für einen Moment konnte ich nichts sehen außer Kumulus.
Als wir wieder herauskamen, kletterte ich in die Kabine zurück, ließ mich auf meinen Sitz fallen und zog die Tür zu. »Ich habe nur ein Licht«, sagte er.
»Das liegt daran, dass du nur eine Kapsel hast«, klärte ich ihn auf. »Das sollte reichen.«
Alex drückte den Knopf; die Statuslampe leuchtete grün auf, und etwas Gewicht kehrte wieder zurück. Die Aufstiegsgeschwindigkeit nahm ab. Das Heck des Gleiters kippte aufwärts, die Nase sank herab. Das war unumgänglich, da das Heck nach wie vor nichts wog. Langsam kippten wir immer weiter und stiegen dabei allmählich höher, bis wir den Scheitelpunkt erreicht hatten. Dann, endlich, fingen wir an zu fallen.
»Okay.« Ich setzte die Blackbox zurück auf null.
»Was tust du da?«, fragte Alex. Wir blickten geradewegs aufs Meer.
»Einem harten Aufprall zuvorkommen. Wenn wir auf dem Weg nach unten ein bisschen rumwackeln, anstellen, abstellen, dann prallen wir nicht ganz so hart auf.«
»Wir prallen auf? Schon wieder?«, fragte er.
»Vermutlich«, antwortete ich. »Aber die Luft wird sich viel besser anfühlen.«
Wir trieben abwärts. Alex legte mir eine zitternde Hand auf die Schulter und versicherte mir, ich hätte mich tapfer geschlagen, und er sei stolz auf mich.
Der Rettungsdienst erschien auf der Bildfläche und ging längsseits. Die Bucht kam näher, aber nur langsam. Wir trudelten abwärts wie ein Blatt im Wind, während die Rettungsmannschaft uns anfeuerte und uns ermahnte, dranzubleiben. Mein Herz kehrte in meinen Brustkorb
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