Pole Position: Sebastian Vettel - sein Weg an die Spitze (German Edition)
auch solche Erfahrungen. Sie wirken eher verstörend: »Manche Eltern setzen ihre Kinder zu sehr unter Druck. Das ist nicht schön zu sehen. Meine waren nicht so. Sie waren ziemlich entspannt«, wird sich Sebastian Vettel sehr viel später erinnern. Hockenheimring, Nürburgring, Lausitzring, Norisring, Zandvoort – fürs Versteckenspielen bietet sich in der Formel BMW keine Gelegenheit mehr. Die Serie tritt im Rahmenprogramm der DTM auf, der Deutschen Tourenwagen Masters, der beliebtesten Tourenwagen-Serie in Europa. Für Rookies geht es nicht nur darum, das Auto kennenzulernen. Es geht auch darum, die Strecken zu erkunden. Sebastian Vettel findet sich schnell zurecht. In den 20 Rennen fällt er lediglich einmal wegen einer Kollision aus – beim Stadtrennen in Nürnberg, als er in der 16. Runde in einer Spitzkehre mit seinem Rivalen Adrian Sutil kollidiert. Schon am nächsten Tag eilt er wieder zum Sieg. Insgesamt werden in der Saison fünf Siege für ihn notiert, dazu kommen vier zweite und drei dritte Plätze. Die Gesamtwertung entscheidet sich bei der vorletzten Station, Ende September in Zandvoort: Maximilian Götz sichert sich den Titel, Sebastian Vettel den Sieg in der Rookie-Wertung. Und das, obwohl er beim ersten Rennen gar nicht antreten darf: Weil er im Training überholt hat, als gelbe Flaggen geschwenkt wurden, die zu Vorsicht mahnten, muss er einmal aussetzen. Dass er die Einsteiger-Wertung gewinnt, weiß er zunächst gar nicht: »Ah, das ist ja schön«, sagt er, als es ihm mitgeteilt wird. Sein Blick schweift da schon weiter. Beim Saisonfinale Anfang Oktober in Hockenheim soll es ein wichtiges strategisches Gespräch geben. Die Gesamtwertung lautet am Ende: 1. Maximilian Götz, 259 Punkte. 2. Sebastian Vettel, 216 Punkte.
Schlüsselfigur
Helmut Marko, Jahrgang 1943, hat einen Doktortitel und in der Szene einen Ruf wie Donnerhall. Der promovierte Jurist ist mächtig. Seit der Gründung 1999 steht er dem Juniorteam von Red Bull vor. Marko hat sehr genaue Vorstellungen davon, was ein junger Rennfahrer tun muss: Gas geben. Und was er tun sollte: Werkstattputzen zum Beispiel hat seiner Meinung nach noch keinem geschadet. Marko war selbst Rennfahrer, damals in den wilden Sechzigern und Siebzigern. Er ging mit Jochen Rindt in Bad Aussee aufs Gymnasium. Nach dem Unterricht ließen die beiden es krachen und knattern. Die 24 Stunden in Le Mans 1971 waren Markos großes Rennen. Auf einem Porsche 917K wechselte er sich mit dem Niederländer Gijs van Lennep ab. Mehr als 5335 Kilometer legten die beiden zurück, ein Rekord, der fast 40 Jahre lang halten sollte. Auch bei der Targa Florio trat Marko an, 1972, mit einem Alfa Romeo, der seine Kraft aus einem Achtzylinder-Motor mit drei Litern Hubraum schöpfte. Auf den langen Geraden war der Wagen den Ferraris der Konkurrenten unterlegen. Also musste Marko die Kurven nutzen, um Zeit gutzumachen. Gelegenheit dazu gab es reichlich: Eine Runde war mehr als 70 Kilometer lang. Trainiert wurde mitten im öffentlichen Verkehr. Es waren unglaubliche, aus heutiger Sicht unverantwortliche Zustände. Leitplanken gab es so gut wie keine. Marko fand das nicht besonders vertrauenerweckend. Trotzdem fuhr er im Rennen die schnellste Runde. Marko hätte für Ferrari fahren sollen. Er saß in Enzo Ferraris abgedunkeltem Büro in Maranello und handelte einen Vorvertrag aus. Doch dann wurde er beim Formel-1-Grand-Prix am 2. Juli 1972, seinem neunten Rennen in der Königsklasse, in Clermont-Ferrand von einem Stein getroffen. Das Auto des Schweden Ronnie Petersons hatte ihn aufgewirbelt. Das Geschoss durchschlug das Visier und traf Marko am linken Auge. Bis er im Krankenhaus war, bis ein Augenarzt bei ihm war und bis geklärt war, wer für die Behandlung zahlen würde, war nichts mehr zu retten. Seitdem trägt Marko ein Glasauge. Der Ferrari-Traum platzte, er musste seine Motorsportkarriere beenden. Marko wurde Hotelier in Graz, blieb der Szene aber verbunden: Er beriet seine Landsleute Gerhard Berger und später Karl Wendlinger. Er weiß, welche Kleinigkeiten eine Rennfahrer-Karriere beenden können. Aber auch, dass die selten wirklich vom Schicksal gelenkt werden. Die Mittel, die er fürs Talentspähen ausgeben darf, sind gewaltig. 1999 startete das Juniorteam mit zwei Piloten. 2001 waren es schon sieben. 2002 wurde auf zehn aus vier Nationen aufgestockt, 2003 auf vierzehn. Die Förderung läuft für alle nach dem gleichen Prinzip: Red Bull bezahlt als Gegenleistung für zwei
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