Pole Position: Sebastian Vettel - sein Weg an die Spitze (German Edition)
Gegenwind schärft sein Profil.
Stallorder
Heimspiel. Der Große Preis von Deutschland 2010 auf dem Hockenheimring soll Sebastian Vettels Rennen werden. Kurz zuvor hat er bei einem Homerun in Heppenheim dafür Werbung gemacht. Im Angebot ist ein eigenes Vettel-Fan-Paket. Versprochen wird »das lauteste Fan-Camp der Formel 1«. Für 199 Euro gibt es eine Vettel-Kappe, eine Vettel-Autogrammkarte, eine Eintrittskarte und eine Dose Red Bull. Es sind die ersten Zeichen der anschwellenden Begeisterung, die er auslösen könnte. Wer die Offerte annimmt, wird allerdings enttäuscht: Sebastian Vettel spielt bei seinem Heim-Grand-Prix nicht die Hauptrolle. Mit einem schlechten Start vergibt er die große Chance, die die Pole Position ihm gebracht hatte. Er wird bloß Dritter. Die Hauptrollen spielen an diesem Nachmittag die beiden Ferrari-Fahrer Fernando Alonso und der wieder genese Felipe Massa. Das Duell zwischen den beiden ist denkwürdig. Allerdings nicht, weil der Spanier und der Brasilianer vehement um den Sieg streiten. Sondern weil sie genau das nicht tun. Weil ihr Team verfügt, wer gewinnen darf. Eigentlich ist das verboten. Seit 2002 gibt es einen Passus im Regelwerk, der besagt: Der Kommandostand darf keinen direkten Einfluss darauf nehmen, in welcher Reihenfolge seine Fahrer ins Ziel kommen. Anlass für das Verbot war das, was beim Großen Preis von Österreich in den Jahren 2001 und 2002 geschah. Damals bekam Rubens Barrichello von Ferrari-Teamchef Jean Todt bedeutet: »Let Michael pass for the championship!« – Lass Michael wegen des WM -Titels vorbei! Barrichello gehorchte. 2001 schenkte er Michael Schumacher in der letzten Runde Platz zwei, 2002 überließ er ihm den Sieg. Nach dem zweiten Platztausch kochten die Emotionen der Fans hoch: Barrichello war an jenem Wochenende der Schnellere gewesen. Warum er die Früchte seiner Überlegenheit nicht ernten durfte, war schwer zu verstehen. Der Österreich-Grand-Prix war erst das sechste von 16 Rennen, und Michael Schumacher war allen Rivalen in der Fahrerwertung auch ohne das Geschenk weit enteilt. Der unverdiente Sieg schmeckte ihm selbst nicht. Bei der Siegerehrung schob er Barrichello auf die höchste Stufe des Siegertreppchens, von wo aus der Brasilianer der deutschen Nationalhymne lauschen durfte – und vielen, vielen Pfiffen. In Hockenheim ist die Aufregung 2010 nach dem Ende des Rennens auch groß. Die Szene, die die Gemüter bewegt, ereignet sich in der 49. Runde. Felipe Massa führt das Rennen an, aber keineswegs überlegen. Hinter ihm jagt sein Teamkollege her, Fernando Alonso. Er will vorbei. Er will die sieben Punkte, die es für den ersten Platz mehr gibt als für den zweiten. Sie könnten ihn zurück ins Titelrennen bringen. Also beginnt Alonso zu drängeln. Erst auf der Strecke. Dann auch am Funk. »Das ist lächerlich!«, zürnt er darüber, dass er hinter Massa herfahren muss. In einer ersten Replik rät ihm die Mannschaft nur: »Konzentrier dich!« Wenig später aber bekommt Alonso seinen Willen. An Massa ergeht der Funkspruch: »Fernando ist schneller. Hast du die Botschaft verstanden?« Massa hat. Obwohl der Sieg sein erster wäre seit dem beinahe tödlichen Unfall genau ein Jahr zuvor in Ungarn, lässt er den Teamkollegen kampflos passieren. Der nächste Funkspruch an ihn ist Lob und Entschuldigung gleichzeitig: »Guter Junge. Bleib an ihm dran. Sorry.« Als Beleg für eine Teamorder sei das aber nicht zu werten, behauptet Teamchef Stefano Domenicali: »Wir haben keine Anweisung gegeben. Wir haben nur eine Information übermittelt. Der Fahrer hat selbständig entschieden.« Die Konkurrenz schäumt trotzdem über das Vorgehen. Mercedes-Sportchef Norbert Haug vertritt den Standpunkt: »Es gibt nicht nur WM -Punkte, sondern auch Haltungsnoten.« Red-Bull-Teamchef Christian Horner spricht vom »klarsten Fall einer Teamorder, den ich je gesehen habe«, und forderte den Automobilweltverband auf einzuschreiten.
Das tut dieser auch. Die Rennkommissare entscheiden: Ferrari muss wegen Verstöße gegen die Artikel 39.1 des sportlichen Reglements (»Verbot der Stallorder«) und 151.c des Sportkodex (»Beschädigung des Ansehens des Motorsports«) 100000 Dollar zahlen. Die Punkte aber darf der Rennstall ebenso behalten wie Alonso den Sieg. In einer Twitter-Aussendung höhnt Red Bull, die Strafe sei so lächerlich, »wie Kinder ohne Abendessen zu Bett zu schicken«. Aber keineswegs alle im Team sehen das wirklich so. Obwohl ihm die Aktion der Gegner
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