Polifazios Vermächtnis (German Edition)
und rannte von einer Ecke des Raumes zur anderen. Er befand sich in einer schäbigen, mit Heu ausgelegten Zelle. Eine Wand aus dicken, rostigen Gitterstäben versperrte ihm den Ausweg. In der Zelle befand sich kein Fenster. An der Wand hinter den Gitterstäben hingen einige Fackeln, die das Verließ erhellten. Hier und dort lagen Kochen auf dem Boden und ein lebloses Skelett hing mit Handketten gefesselt an der Wand. Mugel guckte einmal in die Runde. Auf einer Pritsche, im hinteren Teil der Zelle, lag der regungslose Körper einer menschlichen Frau. Schnell rannte er zu ihr herüber und stellte fest, dass diese noch atmete. Die Frau hatte pechschwarzes Haar und alabasterfarbene, reine Haut, die jedoch hier und dort mit Blut und Dreck verschmiert war. Sie hatte ein dunkelblaues, fast schwarzes, luftiges Kleid an, das mit kräftig rot leuchtenden Runen und Zeichen bestickt war. Vorsichtig rüttelte Mugel die Frau und sprach sie leise an, doch sie reagierte nicht. Offenbar befand sie sich in einer Art Schlaf oder Ohnmacht, die er nicht zu durchbrechen vermochte. Nach einer kurzen Zeit hörte er von außerhalb seiner Zelle, wie jemand das Verließ, betrat. Harte Schritte kamen einen Gang hinunter und endeten schließlich vor seiner Zelle. Mugel stockte der Atem, als er die Person sah, die nun vor seiner Zellentür stand. Sofort kamen jene schrecklichen Erinnerungen von vor einigen Wochen wieder in ihm hoch. Vor ihm stand ein fast zwei Meter hoher Mann, der völlig in Schwarz gekleidet war. Mit seiner linken Hand umklammerte er einen gewundenen, knorrigen Stab, auf dessen Kopf ein pechschwarzer Stein prangte. Der Mann hatte schneeweißes kurzes Haar und seine Haut schien keinerlei Pigmente zu haben. Mit riesigen schwarzen Augen sah er Mugel eine Weile mit zufriedenem Lächeln an. Mugel konnte sein schnaubendes Atmen hören. Erschrocken sprangen ihm die unnatürlich langen, vergilbten Fingernägel des Mannes in die Augen. Kein Zweifel, bei dem Mann handelte es sich um jenen Reiter, dem Mugel damals schon einmal begegnet war.
„Gut, jetzt dürfte ich genügend Opfer für den dunklen Fürsten haben!“ zischte der Reiter völlig unerwartet zu sich selbst.
Mugel zuckte zusammen. Die Stimme des Mannes war derart angst einflößend, dass es ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ.
„ Wer bist du, warum hältst du mich hier gefangen?“, stotterte Mugel mit zittriger Stimme.
Doch er bekam keine Antwort. So schnell, wie der Reiter das Verließ betreten hatte, so schnell war er auch schon wieder verschwunden. Mugel blieb ohne Antworten in seiner Zelle zurück. In ihm wuchs eine unbeschreibliche Angst und Panik. Was meinte der Kerl mit Opfer? Und wer war dieser dunkle Fürst?
In den Gewölben
Mit all seiner Kraft rüttelte Mugel an den rostigen Gitterstäben seiner Zelle. Trotz des maroden Aussehens waren die Gitter nach all den Jahren immer noch fest und stark. Mugel tastete die Taschen seiner Kleidung ab, in der Hoffnung, seine Dietriche zu finden. Doch wie er befürchtet hatte, wurden ihm diese, zusammen mit all den anderen Dingen, die er dabei hatte, abgenommen.
„ Mist!“, fluchte er und überlegte angestrengt hin und her.
Wie ein aufgescheuchtes Huhn lief er kreuz und quer durch die kleine Zelle. Plötzlich blieb er stehen. Sein Blick verharrte auf einem der vielen Knochen, die verstreut auf dem Boden lagen.
„Einen Versuch ist es allemal wert!“, sagte er sich selbst.
Dann hob er einen dünnen, stabil aussehenden Knochen auf. Er wollte gar nicht genauer darüber nachdenken, was für eine Art Knochen er nun in den Händen hielt. Entschlossen kniete er sich vor das klobige Bartschloss der Zellentür und begann mit dem Knochen darin herumzustochern.
Vorsichtig richtete Himbi sich auf. Seine Augen gewöhnten sich schnell an die Dunkelheit. Doch es machte keinen großen Unterschied, ob er sie öffnete oder schloss. Trotz der Dunkelheit erkannte Himbi riesige Regale, die in diesem Raum standen. Leise ging er näher an eines heran und versuchte etwas zu ertasten. Ebenfalls unter einer dicken Staubschicht fühlte er verschiedene Metallgegenstände und einige Rollen Draht. Vorsichtig tastete er sich weiter. Nach einer kurzen Zeit zuckte er erschrocken zusammen. Trotz seiner Vorsicht hatte er in einen Kasten mit kleinen, spitzen Nägeln gegriffen, von denen sich einige in seine Finger bohrten.
„Autsch!“, sagte er erschrocken und hielt sich sogleich eine Hand vor den Mund,
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