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Poltergeist

Titel: Poltergeist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Richardson
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Die Zeitschichten oder so haben …« Ich hielt inne,
ehe ich »Wir« sagen konnte. Carlos war den Danzigers zwar bereits begegnet, aber ich wollte nicht, dass sie mehr als unbedingt nötig mit der Vampirgemeinde von Seattle in Kontakt kamen. »Ich will etwas über die Zeit im Grau wissen.«
    Er legte den Stift beiseite und lehnte sich zurück. Eine Weile musterte er mich, und ich hatte das Gefühl, als ob ich in Schnee ersticken würde.
    »Was ich weiß, kann dir vielleicht gar nicht weiterhelfen.«
    »Es ist jedenfalls sicher mehr, als ich weiß.« Carlos würde sowieso bald herausfinden, wie wenig ich tatsächlich wusste. Es war also sinnlos, mich kenntnisreicher zu geben, als ich war.
    »Die Zeit nimmt viele Formen an. Du musst sie selbst kennenlernen. Manchmal ist sie ein Fluss oder ein Fenster, eine Ebene oder ein undurchdringliches Tor, das sich auf einmal vor dir zeigt.«
    »Aber wie kann ich diese Formen erkennen? Und was fange ich mit ihnen an?«
    »Zeit, die vergangen ist, scheint hart. Sie lässt sich nicht einfach beiseiteschieben. Ich bewege mich nicht in der Energie. Du schon. Du gehst hinein, atmest sie ein, schwimmst in ihr.« Seine Augen funkelten. »Ich könnte mir vorstellen, dass die Zeit für dich wie ein Felsen im Wasser ist, und du bist wie ein Fisch darin. Wie ein Fisch lernst auch du, wie dieser Felsen riecht und wie er sich in der Strömung anzufühlen hat.«
    Ich war auf einmal etwas atemlos, als ob ich gejoggt wäre. In meinen Gliedern prickelte es seltsam, während sich meine Haut eiskalt anfühlte. Carlos’ plötzliches Schweigen ließ mich aufblicken, und ich bemerkte, dass er mich neugierig beobachtete.

    »Die Zeit besteht also einfach nur aus verschiedenen Formen … in einem Wasser, oder so«, wiederholte ich und versuchte, mir das Ganze vorzustellen. Es kam mir wie eine seltsame Umkehrung von Einsteins Theorie vor, dass die Zeit wie ein Fluss ist.
    »Für dich schon.«
    Ich stand auf und ging, ohne dass ein weiteres Wort zwischen uns gewechselt worden wäre. Carlos’ Erklärung hatte mich nur noch mehr verwirrt und meine Frustration keineswegs gemindert. Vielleicht stimmte ja, was er sagte, aber es half mir nicht dabei, mehr über Celia herauszufinden. Ich hatte das Gefühl, mich im Kreis zu drehen.
    Ohne es so recht zu bemerken, war ich zu meinem Büro gefahren. Wahrscheinlich war es das Beste, mein Unterbewusstsein schweifen zu lassen, während ich selbst in irgendeiner Kneipe am Pioneer Square etwas trinken ging. Doch das wollte ich nicht alleine tun. In meinem augenblicklichen Zustand war dieser alte Teil von Seattle viel zu stark von Geistern bevölkert, als dass ich mich allein wohlgefühlt hätte. Ich zog also mein Handy heraus und machte einen Anruf.
    Quinton traf mich vor dem Owl & Thistle, einem lauten irischen Pub, der sich in einer früheren Bankfiliale auf der First Avenue befand. Wie oft fand man eine Bank, die zumachen musste und eine Bar wurde? Um zehn an einem Freitagabend war der kleine Pub brechend voll. Eine keltische Metal-Band, die nicht ganz metal klang, aber trotz des Geigers auch nicht Folk war, trug zu dem allgemeinen Lärm der bereits betrunkenen Gäste noch erheblich bei.
    Quinton führte mich zu einem Tisch im hinteren Teil des Pubs in der Nähe der Dartscheibe. Hier waren wir weit genug von der Band entfernt, damit die Leute, die auf der
winzigen Tanzfläche ihre Hüften schwangen, nicht in unseren Getränken landeten. Unsere Unterhaltung wurde von dem ständigen ›Wump‹ der Dartpfeile und dem ›Klonk‹ der Poolkugeln untermalt. Wir rückten so nahe wie möglich zueinander, um den anderen gerade noch hören zu können, während die Band eine Cover-Version von »Bottle of Smoke« der Pogues spielte.
    Ich hatte bereits die Hälfte meines ersten Pint intus, als mir auf einmal bewusst wurde, dass ich noch gar nicht zu Abend gegessen hatte. Inzwischen hatten sie im Pub die Speisekarte abgenommen. »Oh, verdammt«, murmelte ich.
    »Was ist los?«, wollte Quinton wissen.
    »Ich habe das Abendessen verpasst. Na ja, Guinness soll ja angeblich sehr nahrhaft sein«, erwiderte ich und zeigte auf ein altes Blechschild, das in unserer Nähe hing. Darauf war ein Tukan zu sehen, der zwei Gläser Guinness beäugte, die er auf seinem großen Schnabel balancierte.
    Quinton lachte und sah mich aufmerksam an. »Also – was ist wirklich los? Du rufst doch normalerweise nie an und willst von mir zu einem Bier eingeladen werden. Irgendetwas stimmt hier doch

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