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Portrat in Sepia

Portrat in Sepia

Titel: Portrat in Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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vornehme re Stadt als Paris und
keine anspruchsvollere Gesellschaft als die französische, die
einzige, wo der Sozialismus mit seinem verheerenden Mangel
an Eleganz nicht die geringste Chance habe, zum Zuge zu
kommen. Darin stimmte Paulina mit ihr völlig überein. Die
beiden Frauen entdeckten, daß sie nicht nur über die gleichen
Torheiten lachten, einschließlich des mythologischen Bettes, sie
waren auch in fast allen wichtigen Dingen einer Meinung. Eines
Tages, als sie in dem Wintergarten aus geschmiedetem Eisen
und Kristall an einem Marmortischchen ihren Tee tranken,
beklagten es die beiden, daß sie sich nicht früher kennengelernt
hatten. Mit oder ohne Feliciano und Matías als Medien - sie
wären gute Freundinnen geworden, entschieden sie. Paulina tat
ihr Möglichstes, sie in ihrem Hause zu halten, sie überschüttete
sie mit Geschenken und führte sie in die Gesellschaft ein, als
wäre sie eine Königin, aber Amanda war ein Vogel, der nicht im
Käfig leben konnte. Sie blieb ein paar Monate, aber dann
gestand sie Paulina im Vertrauen, sie habe nicht das Herz,
Matías’ Verfall weiter mit anzusehen, und, frei herausgesagt,
Santiago komme ihr wie eine Provinzstadt vor trotz allem Luxus
und aller Arroganz der Oberklasse, die vergleichbar sei mit der
des europäischen Adels. Sie langweile sich, ihr Platz sei in Paris,
wo sie die beste Zeit ihres Lebens verbracht habe. Meine
Großmutter wollte sie mit einem Ball verabschieden, der in
Santiago Geschichte machen sollte und zu dem die Creme der
Gesellschaft erscheinen würde, denn niemand wü rde es wagen,
eine Einladung abzusagen, die von ihr kam, trotz der Gerüchte,
die über die in Nebel gehüllte Vergangenheit ihres Gastes
umliefen, aber Amanda überzeugte sie, daß Matías zu krank sei
und ein Fest unter diesen Umständen eine Geschmacklosigkeit,
außerdem habe sie für eine solche Gelegenheit nichts
anzuziehen. Paulina bot ihr ihre Kleider an, und das in der
besten Absicht, ohne zu bedenken, wie sehr sie die Lowell
beleidigte mit der Andeutung, sie beide hätten die gleiche Figur.
Drei Wochen nach Amanda Lowells Abreise gab die Pflegerin
meines Vaters Alarm. Sofort wurde nach dem Arzt geschickt,
und im Handumdrehen füllte sich das Haus mit Menschen,
Freunde meiner Großmutter gaben Familienangehörigen und
Leuten von der Regierung die Klinke in die Hand, eine Unzahl
Mönche und Nonnen erschien, und mit ihnen kam auch der
schmuddlige Priester, der Vermögensjäger, der nun meine
Großmutter umkreiste in der Hoffnung, der Schmerz über den
Verlust ihres Sohnes werde sie bald in ein besseres Leben
befördern. Paulina jedoch dachte gar nicht daran, diese Welt zu
verlassen, sie hatte sich schon lange mit der Tragödie ihres
ältesten Sohnes abgefunden, und ich glaube, sie sah das Ende
nicht ohne Erleichterung kommen, denn Zeuge dieses
langsamen Dahinsterbens zu sein war viel schlimmer, als ihn zu
beerdigen. Mir erlaubten sie nicht, meinen Vater zu sehen, weil
sie fanden, der Todeskampf sei kein geeignetes Schauspiel für
kleine Mädchen und ich hätte schon genug Furchtbares erlebt
durch die Ermordung meines Vetters und andere kürzlich
geschehene Gewalttaten, aber ich konnte mich dann doch kurz
von ihm verabschieden dank Frederick Williams, der mir für
einen Augenblick die Tür öffnete, als gerade niemand in der
Nähe war. Er führte mich an der Hand zu dem Bett, in dem
Matías Rodriguez de Santa Cruz lag, an dem es nichts mehr gab,
was man hätte berühren können, er war nur noch ein Bündel
durchsichtiger Knochen, begraben unter Kissen und bestickten
Laken. Er atmete noch, aber seine Seele flog schon durch andere
Dimensionen. »Adiós, Papa«, sagte ich. Es war das erste Mal,
daß ich ihn so nannte. Er lag noch zwei weitere Tage in Agonie
und starb am Morgen des dritten wie ein kleines Kind.
    Ich war dreizehn Jahre, als Severo mir eine ganz moderne
Kamera schenkte, für die man Papier verwendete statt der alten
Platten und die unter den ersten gewesen sein muß, die nach
Chile gelangten. Mein Vater war kurz zuvor gestorben, und die
Albträume quälten mich so sehr, daß ich mich nicht
schlafenlegen mochte und in den Nächten wie ein verirrtes
Gespenst durch das Haus wanderte, dichtauf gefolgt von dem
armen Caramelo, der nun einmal ein dummer, tapsiger Hund
war, bis meine Großmutter sich erbarmte und uns in ihr riesiges
vergoldetes Bett ließ. Zur Hälfte füllte ihr großer, weicher,
parfümierter

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