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Portrat in Sepia

Portrat in Sepia

Titel: Portrat in Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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ihrem
schmucken Ehemann protzte und sich über alle Welt lustig
machte.
    Meine Großmutter Paulina stürzte sich bald in öffentliche
Wohltätigkeit, um den Neid und die Verleumdungen zum
Schweigen zu bringen, die ihr Reichtum hervorrief. Sie wußte,
wie man das machte, denn sie war in diesem Lande
aufgewachsen, wo es unumgängliches Gebot für die finanziell
gutgebetteten Frauen ist, den Besitzlosen zu helfen. Je mehr sie
sich aufopfern, um die Armen in Krankenhäusern, Asylen,
Waisenhäusern und Elendswohnungen zu besuchen, um so
höher steigen sie in der allgemeinen Achtung, weshalb sie ihre
gespendeten Almosen überall und weidlich ausposaunen. Wer
diese Pflicht versäumt, zieht so viele finstere Blicke und
priesterliche Ermahnungen auf sich, daß nicht einmal Paulina
del Valle sich dem Schuldgefühl und der Angst vor der
Verdammnis hätte entziehen können. Mich führte sie auch in
diese barmherzigen Werke ein, aber ich muß gestehen, daß es
mir immer unangenehm war, in so einem Elendsviertel in
unserer mit Lebensmitteln beladenen Prachtkutsche
aufzutauchen, von zwei Lakaien begleitet, damit sie die
Geschenke an einige zerlumpte Gestalten verteilten, die sich mit
großen Demutsbezeigungen bedankten, während der Haß in
ihren Augen brannte.
    Meine Großmutter mußte mich zu Hause unterrichten, weil
ich aus jeder der religiösen Anstalten ausriß, in denen sie mich
anmeldete. Die Familie del Valle hatte ihr ein ums andere Mal
zugeredet, mich in ein Internat zu geben, das sei der einzige
Weg, aus mir ein normales Wesen zu machen; sie behaupteten,
ich brauchte die Gesellschaft anderer Kinder, um meine
krankhafte Schüchternheit zu überwinden, und die feste Hand
der Nonnen, um mich zu fügen. »Dieses Mädchen hast du zu
sehr verzogen, Paulina, du wirst noch ein Monstrum aus ihr
machen«, sagten sie, und meine Großmutter hatte schließlich
geglaubt, was offensichtlich war. Ich schlief mit Caramelo im
selben Bett, aß und las, worauf ich Lust hatte, verbrachte den
Tag mit selbsterdachten Spielen, alles ohne viel Disziplin, denn
es gab niemanden in meiner Umgebung, der sich die Mühe
gemacht hätte, sie mir beizubringen; mit anderen Worten, ich
erfreute mich einer ziemlich glücklichen Kindheit. Ich ertrug die
Internate nicht mit ihren schnurrbärtigen Nonnen und ihren
Massen von Schülerinnen, die mich an meinen schlimmen
Albtraum mit den Wesen in schwarzen Pyjamas erinnerten; ich
ertrug auch die strengen Regeln nicht, die Eintönigkeit der
Stundenpläne und die Kälte dieser ländlichen Klöster. Ich weiß
nicht, wie oft sich derselbe Ablauf wiederholte: Paulina zog
mich besonders fein an, sagte in drohendem Ton die
Vorschriften auf, schleppte mich praktisch auf den Armen hin
und ließ mich mit meinen Koffern in den Händen irgendeiner
kräftigen Novizin und entwischte so schnell, wie ihre Kilos es
zuließen, von Gewissensbissen gehetzt. Es waren immer
Schulen für reiche Kinder, in denen Gehorsam und Gemeinheit
herrschten und deren Endziel es war, uns ein wenig Unterricht
zukommen zu lassen, damit wir nicht völlig unwissend blieben ein bißchen Kulturtünche zählte denn doch auf dem
Heiratsmarkt -, aber nicht so viel, daß wir hätten Fragen stellen
können. Es ging darum, den eigenen Willen um des
Allgemeinwohls willen zu brechen, aus uns gute Katholikinnen,
selbstlose Mütter und gehorsame Ehefrauen zu machen. Die
Nonnen mußten zunächst unsere Körper bändigen, diese Quelle
der Eitelkeit und anderer Sünden; wir durften nicht lachen, nicht
rennen, nicht unter freiem Himmel spielen. Baden durften wir
einmal im Monat, und das in langen Hemden, um unsere
Schamteile nicht vor dem Auge Gottes zur Schau zu stellen, der
ja überall ist. Man ging von dem Grundsatz aus: Wer nicht
hören will, muß fühlen, deshalb wurde mit Strenge nicht
gespart. Sie flößten uns Angst ein, Angst vor Gott, vor dem
Teufel, vor allen Erwachsenen, vor den Ruten, mit denen sie uns
auf die Finger schlugen, vor den Kieselsteinen, auf denen wir
knien mußten, um zu büßen, vor unseren eigenen Gedanken und
Wünschen, Angst vor der Angst. Niemals sagte man ein Wort
des Lobes, um keine Prahlsucht in uns zu erzeugen, aber
Strafen, um unseren Charakter zu stählen, gab es mehr als
genug. In diesen dicken Mauern lebten meine uniformierten
Gefährtinnen, die Zöpfe so fest geflochten, daß ihnen manchmal
die Kopfhaut blutete, die Hände von der ewigen Kälte voller
Frostbeulen. Der Kontrast zu

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