Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Portrat in Sepia

Portrat in Sepia

Titel: Portrat in Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
Vom Netzwerk:
Nivea Niederkünfte hinter sich brachte,
ihre gute Gesundheit und das lockere Verhältnis zu ihrer
Nachkommenschaft sicherten ihre intime Beziehung zu Severo,
die leidenschaftliche Zärtlichkeit, die sie verbindet, sieht man
ihnen noch heute an. Sie hat mir erzählt, die verbotenen Bücher,
die sie in der Bibliothek ihres Onkels eingehend studierte, hätten
sie die phantastischen Möglichkeiten der Liebe gelehrt
einschließlich einiger sehr ruhiger für Liebende, deren
akrobatische Fähigkeit eingeschränkt sei, wie es bei ihnen
beiden der Fall war: ihn behinderte das amputierte Bein und sie
der schwangere Bauch. Ich weiß nicht, welche Verrenkungen
die beiden bevorzugen, aber ich könnte mir vorstellen, daß die
Augenblicke höchster Wonne immer noch die sind, in denen sie
im Dunkeln und ohne das geringste Geräusch ihre Spiele
treiben, als säße im gleichen Zimmer eine Nonne, die zwischen
der einschläfernden Baldrianschokolade und der Lust zu
lauschen hin und her gerissen wird.
    Die Nachrichten über die Revolution wurden von der
Regierung streng zensiert, aber man erfuhr trotzdem alles, selbst
dann, wenn es erst geschehen sollte. Wir wußten von der
Verschwörung, weil einer meiner älteren Vettern sie uns
ankündigte, der heimlich in unserem Haus auftauchte, begleitet
von einem Pächter des Gutes, seinem Diener und Leibwächter.
Nach dem Essen zog er sich mit Frederick Williams und meiner
Großmutter für längere Zeit ins Arbeitszimmer zurück, wo ich
in einer Ecke saß und tat, als wäre ich in mein Buch vertieft, mir
aber kein Wort von dem entgehen ließ, worüber sie redeten.
Mein Vetter war ein blonder, stattlicher Bursche mit Locken und
Augen wie eine Frau, impulsiv und sympathisch; er war auf dem
Lande aufgewachsen und hatte eine gute Hand für das Zähmen
von Pferden, daran erinnere ich mich gut. Er erzählte, daß ein
paar junge Leute, darunter auch er, vorhätten, einige Brücken in
die Luft zu sprengen, um der Regierung eins auszuwischen.
»Und wer ist auf die brillante Idee gekommen? Habt ihr auch
einen Anführer?« fragte meine Großmutter sarkastisch.
    »Anführer haben wir noch keinen, den werden wir wählen,
wenn wir uns versammeln.«
»Wie viele seid ihr, Junge?«
»Wir sind so an die hundert, aber ich weiß nicht, wie viele
kommen werden. Sie wissen nicht alle, weshalb wir sie
zusammengerufen haben, wir werden es ihnen erst dann sage n,
aus Sicherheitsgründen, verstehen Sie, Tante?«
»Ich verstehe. Sind sie alle junge Herren wie du?« fragte
meine Großmutter immer aufgebrachter.
»Es sind Handwerker, Arbeiter, Dorfleute und auch einige
von meinen Freunden.«
»Was für Waffen haben sie?« wollte Frederick Williams
wissen.
»Säbel, Messer, und ich glaube, auch ein paar Karabiner. Wir
werden natürlich Pulver beschaffen müssen, das ist klar.«
    »Mir scheint, das ist ein riesengroßer Blödsinn!« explodierte
meine Großmutter.
Die beiden versuchten es ihm auszureden, und er hörte ihnen
mit gespielter Geduld zu, aber es war offensichtlich, daß sein
Entschluß feststand und dies nicht der Augenblick war, seine
Meinung zu ändern. Als er ging, nahm er in einem Lederbeutel
einige der Feuerwaffen aus Frederick Williams’ Sammlung mit.
Zwei Tage später erfuhren wir, was sich auf dem
verschwörerischen Gut wenige Kilometer von Santiago entfernt
zugetragen hatte. Die Rebellen waren im Lauf des Tages in
einem Häuschen von Rinderhirten zusammengekommen, in dem
sie sich sicher fühlten, und hatten Stunden mit Diskutieren
verbracht, aber da sie über so wenige Waffen verfügten und der
Plan an allen Ecken und Enden Löcher hatte, beschlossen sie,
die Sache zu verschieben, die Nacht hier in fröhlicher
Kameradschaft zu verbringen und am kommenden Tag
auseinanderzugehen. Sie ahnten nicht, daß sie verraten worden
waren. Um vier Uhr früh wurden sie von neunzig berittenen
Soldaten und vierzig Infanteristen der Regierungstruppen
überfallen in einem so schnellen und sicheren Handstreich, daß
die Belagerten sich nicht verteidigen konnten und sich ergaben,
überzeugt, daß ihnen nichts geschehen werde, denn sie hatten ja
noch kein Verbrechen begangen außer, daß sie sich unerlaubt
versammelt hatten. Der Oberstleutnant, der die Abteilung
befehligte, verlor in dem anfänglichen Hin und Her den Kopf,
und blind vor Wut zerrte er den erstbesten Gefangenen nach
vorn und ließ ihn durch Kugel und Bajonett zerfetzen, dann
suchte er sich acht weitere aus und

Weitere Kostenlose Bücher