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Portrat in Sepia

Portrat in Sepia

Titel: Portrat in Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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erzählen!« unterbrach meine Großmutter sie.
    Das Hinmetzeln der jungen Verschwörer lieferte den
Zündsatz für die letzten Kämpfe des Bürgerkrieges. In den
Tagen danach landeten die Revolutionäre in der Nähe von
Valparaiso mit einem Heer von neuntausend Mann, von
Marineartillerie unterstützt, die in höchster Eile und in
scheinbarer Unordnung wie eine Horde Hunnen auf den Hafen
zumarschierten, aber es gab einen höchst genauen Plan in
diesem Chaos, denn in wenigen Stunden hatten sie ihre Feinde
vernichtend geschlagen. Die Reservetruppen der Regierung
verloren dreißig Prozent ihrer Männer, das Revolutionsheer
besetzte Valparaiso, und von dort aus machten sie sich bereit,
gegen Santiago zu ziehen und den Rest des Landes zu
beherrschen. Inzwischen führte der Präsident den Krieg von
seinem Büro aus, aber die Informationen, die ihm zugingen,
waren falsch, und seine Befehle verloren sich im Äther, denn die
Mehrheit der Funker stand auf seiten der Revolutionäre. Der
Präsident hörte die Nachricht von der Niederlage zur Zeit des
Abendessens. Er speiste in aller Ruhe zu Ende, wies dann seine
Familie an, in der nordamerikanischen Gesandtschaft Zuflucht
zu suchen, nahm Schal, Mantel und Hut und ging, von einem
Freund begleitet, zu Fuß zur argentinischen Gesandtschaft, die
nur wenige Straßen vom Präsidentenpalast entfernt war. Dort
hatte einer der Kongreßabgeordneten Asyl gefunden, der in
Opposition zu seiner Regierung stand, und um ein Haar wären
die beiden an der Tür zusammengestoßen, der eine, geschlagen,
beim Eintreten, der andere, triumphierend, beim Hinausgehen.
Der Verfolger war zum Verfolgten geworden.
    Die Revolutionäre marschierten unter den Beifallsrufen der
gleichen Bevölkerung in die Hauptstadt ein, die Monate zuvor
den Regierungstruppen zugejubelt hatte; die Einwohner
Santiagos, mit roten Bändern um den Arm, stürzten sich auf die
Straßen, die meisten, um zu feiern, andere, um sich zu
verstecken, weil sie das Schlimmste von der Soldateska und der
tobenden Menge fürchteten. Die neuen Behörden erließen einen
Aufruf zur Zusammenarbeit in Ordnung und Frieden, den der
Mob auf seine Weise auslegte. Banden bildeten sich mit
Anführern an der Spitze, die die Stadt durchkämmten mit Listen
von Häusern, die geplündert werden sollten, jedes auf einer
Karte mit genauer Adresse gekennzeichnet. Später hieß es, die
Listen wären aus Bosheit und Rachedurst von Damen der
vornehmen Gesellschaft angefertigt worden. Das mag sein, aber
ich weiß mit Sicherheit, daß Paulina del Valle und Nivea solch
erbärmlicher Niedertracht nicht fähig gewesen wären, auch
wenn sie die gestürzte Regierung gehaßt hatten; im Gegenteil,
sie versteckten sogar zwei verfolgte Familien in unserem Haus,
während die Volkswut abkühlte und die langweilige Ruhe der
Zeit vor der Revolution wieder einkehrte, die wir alle vermißt
hatten. Die Plünderung Santiagos war eine methodische und aus der Ferne gesehen natürlich sogar vergnügliche Aktion. Vor
der »Kommission«, ein Euphemismus zur Bezeichnung der
Banden, ging der Anführer, ließ sein Glöckchen klingen und gab
seine Anweisungen: »Hier könnt ihr räubern, aber macht mir
nichts kaputt, Kinder«, »hier verwahrt mir die Dokumente, und
dann steckt das Haus an«, »hier könnt ihr mitnehmen, was ihr
wollt, und hinterher alles zerkloppen«. Die Mitglieder der
»Kommission« befolgten respektvoll seine Anordnungen,
grüßten eventuell anwesende Besitzer ganz wohlerzogen und
machten sich dann ans Plündern, höchst fidel wie fröhliche
Kinder. Sie öffneten die Schreibtische, nahmen die Papiere und
privaten Dokumente heraus, die sie dem Anführer aushändigten,
zerschlugen dann die Möbel mit Axthieben, nahmen, was ihnen
gefiel, und zum Schluß tränkten sie die Wände mit Paraffin und
setzten sie in Brand. Von seinem Zimmer in der argentinischen
Gesandtschaft aus hörte der abgesetzte Präsident Balmaceda das
Krachen und Klirren auf den Straßen und fürchtete, daß seine
Familie den Preis des Hasses bezahlen müsse, und nachdem er
sein politisches Testament aufgesetzt hatte, schoß er sich eine
Kugel in den Kopf. Die Angestellte, die ihm am Abend das
Essen brachte, war die letzte, die ihn lebend sah; um acht Uhr
morgens fand man ihn auf seinem Bett ausgestreckt, korrekt
gekleidet, den Kopf auf dem blutgetränkten Kissen. Dieser
Schuß machte ihn augenblicklich zum Märtyrer, und in den
darauffolgenden Jahren sollte er

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