Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Portrat in Sepia

Portrat in Sepia

Titel: Portrat in Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
Vom Netzwerk:
erschoß sie von hinten, und
so ging es mit Schlägen und Schlachten weiter, bis bei
Hellwerden sechzehn zerstückelte Leichen dalagen. Der Oberst
ließ die Weinkeller des Gutes öffnen, und dann überließ er die
Bauersfrauen der betrunkenen und durch Straflosigkeit
ermutigten Truppe. Sie zündeten das Haus an und folterten den
Verwalter mit solcher Wildheit, daß sie ihn im Sitzen erschießen
mußten. Inzwischen kamen und gingen Befehle aus Santiago,
aber das Warten darauf besänftigte die Gemüter der Soldateska
keineswegs, sondern heizte das Fieber der Gewalt tätigkeit nur
noch an. Am folgenden Tag, nach vielen höllischen Stunden,
kam der Befehl, von einem General eigenhändig geschrieben:
»Alle sind auf der Stelle zu erschießen.« So geschah es. Danach
luden sie die Leichen auf fünf Karren, um sie in ein Massengrab
zu schaffen, aber das Klagegeschrei war so groß, daß sie sie
schließlich den Familien übergaben.
Um die Dämmerstunde brachten sie die Leiche meines
Vetters, die meine Großmutter angefordert hatte, wobei sie sich
ihrer gesellschaftlichen Stellung und ihrer Beziehungen
bediente. Der Tote war in eine blutige Decke gewickelt und
wurde erst einmal ohne viel Aufhebens in einen Raum gebracht,
wo er ein wenig zurechtgemacht werden sollte, bevor ihn seine
Mutter und seine Schwestern sahen. Ich lauschte an der Treppe
und sah einen Herrn im schwarzen Gehrock und mit einem
Köfferchen kommen, der sich mit dem Leichnam einschloß,
während die Dienstmädchen darüber redeten, das sei ein
Balsamiermeister, der die Spuren der Erschießung mit
Schminke, Füllstoff und einer Polsterernadel völlig entfernen
könne. Frederick Williams und meine Großmutter hatten den
goldenen Salon in eine Kapelle mit einem improvisierten Altar
und gelben Altarkerzen in hohen Leuchtern verwandelt. Als im
Morgengrauen die ersten Kutschen mit der Familie und den
Freunden ankamen, war das Haus voller Blumen, und mein
Vetter ruhte sauber, gut gekleidet und ohne Spuren seines
Martyriums in einem prächtigen Mahagonisarg mit silbernen
Beschlägen. Die Frauen, in strenger Trauergewandung, saßen
weinend und betend in zwei Stuhlreihen, die Männer redeten
über Vergeltung, die Dienstboten boten schmackhafte Häppchen
an wie auf einem Picknick, und wir Kinder, auch in Schwarz,
spielten Erschießen. Für meinen Vetter und mehrere seiner
Gefährten wurde drei Tage lang in ihren Häusern Totenwache
gehalten, während die Kirchenglocken die ganze Zeit für die
toten Jungen läuteten. Die Behörden wagten nicht
einzuschreiten. Trotz der strengen Zensur gab es niemanden im
Land, der nicht von dem Vorgefallenen gehört hätte, die
Nachricht hatte sich überall verbreitet, und das Entsetzen
schüttelte Regierungsanhänger ebenso wie Revolutionäre. Der
Präsident wollte keine Einzelheiten hören und lehnte jede
Verantwortung ab, wie er es auch schon bei früheren, von
anderen Offizieren sowie dem schrecklichen Godoy begangenen
Schändlichkeiten getan hatte.
»Sie haben sie umgebracht wie Tiere, ohne Gefahr der
Gegenwehr, aus purer Grausamkeit. Etwas anderes war ja nicht
zu erwarten, wir sind ein blutrünstiges Land«, sagte Nivea, mehr
wütend als traurig, und erklärte weiter, wir hätten in diesem
ausgehenden Jahrhundert fünf Kriege gehabt. »Wir Chilenen
scheinen so harmlos, wir stehen im Ruf, schüchtern zu sein,
verniedlichen gern mit unseren angehängten itos und itas, aber
bei der ersten Gelegenhe it verwandeln wir uns in Kannibalen.
Man muß daran denken, woher wir gekommen sind, um unsere
brutale Ader zu verstehen. Unsere Vorfahren waren die
kriegerischsten und grausamsten unter den spanischen
Eroberern, die einzigen, die es wagten, zu Fuß bis Chile zu
kommen, die Rüstungen rotglühend von der Wüstensonne,
besiegten sie die schlimmsten Hindernisse der Natur. Sie
vermischten sich mit den Araukanern, die so tapfer waren wie
sie selbst, das einzige Volk des Kontinents, das nie unterworfen
wurde. Diese Indios aßen die Gefangenen, und ihre Häuptlinge,
die toquis, benutzten für ihre Zeremonien Masken, die aus der
getrockneten Haut der Eindringlinge gemacht waren,
vorzugsweise derjenigen mit Bart und Schnurrbart, denn sie
selbst waren bartlos, und so rächten sie sich an den Weißen, die
ihrerseits die Indios lebend verbrannten, auf Pfähle spießten,
ihnen die Arme abschlugen und die Augen herausrissen…« »Schluß! Ich verbiete dir, solche Scheußlichkeiten vor meiner
Enkelin zu

Weitere Kostenlose Bücher