PR 2666 – Die Pyramide der Badakk

Titel: PR 2666 – Die Pyramide der Badakk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arndt Ellmer

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die Touristen abgezockt und manchmal ausgeraubt und ermordet. Lepsos guter Ruf ließ sich vor allem an einem festmachen: Selbst wenn Köpfe rollten, kehrte der Verbrechensfilz unweigerlich zurück, mal langsam, oft aber sehr schnell.
    Und dann war alles wie früher. Schimmelpilze, die trotz Chemiekeule immer noch aus den Wänden sprossen, konnten schlimmer nicht sein.
    Verglichen damit war Thea ein Paradies. Nichts von Spielhölle oder dubiosen Geschäften hatte dieser Planet an sich. Der Ehrenkodex dieser Leute war sehr hoch, auch wenn selbst unter ihnen der eine oder andere auch mal im Trüben fischte. Hinter der Schminke von Clowns oder Animateuren verbarg sich nicht automatisch ein guter Mensch. Und dennoch: Der Gruppendruck innerhalb der theanischen Gesellschaft verhinderte, dass allzu viel passierte. Häuser standen allen offen, jeder wusste, was der andere tat. Es kam nicht vor, dass einer einen anderen bestahl, ohne dass ein Dritter es mitbekam.
    »Dort vorn ist der Stein der Entscheidung«, sagte Nuggnugg zum Piloten. »Ab dort fliegst du Ost-Ost-Süd.«
    Der Stein trug ein Schachbrettmuster in Weiß und Schwarz. In roter und gelber Farbe waren Spielfiguren aufgemalt. Tek sah schon von Weitem, dass Rot dem gelben Spieler Schach bot.
    »Du darfst einen Zug machen, indem du eine Figur übermalst und sie an einer anderen Stelle aufmalst«, keckerte der Topsider. »Aber du darfst den Gegner nicht schachmatt setzen. Und es muss bei ›Schach‹ bleiben.«
    »Wie viele haben schon darauf herumgemalt?«
    »Niemand. Wo denkst du hin? Es ist unsinnig, die Figuren anders zu positionieren.«
    Der Gleiter änderte den Kurs. Die weiß getünchte Kaimauer leuchtete noch eine Weile über den Gassen der Hah-Zhdolipsi, dann versickerten die Häuser und Buden der Stadt nach und nach im Sand. Tekener schaute nach Süden und nach Norden, wo sich grüne Wiesen und Wälder erstreckten, und dann wieder auf den Sand, der wie ein Kanal nach Ost-Ost-Süd führte. Er deutete hinaus.
    »Was hat es mit diesem Kanal auf sich?«
    »Wir nennen ihn den Treibsand der Geschichte. Mit jedem Jahrtausend wird er ein wenig höher. Schau nach vorn, wir nähern uns dem Ziel.«
    Kurz vor dem Horizont endete der Sandkanal wie mit dem Messer abgeschnitten. Aus der Tiefe wuchsen Felsformationen mehrere hundert Meter in die Höhe. Sie bildeten die natürliche Barriere, hinter der sich die Wimpelebene erstreckte. Das Gelände machte seinem Namen alle Ehre. Vollkommen eben, übersät von Stangen und Stricken, an denen bunte Wimpel flatterten. Alle möglichen Formen und Farben waren vertreten.
    »Jede Schaustellerfamilie hat hier ihre Wimpel hängen, und mit jeder Generation kommt eine Farbe dazu und eine Zacke oder ein Bogen oder ein Loch, je nachdem«, sagte Nuggnugg. »Nur eine Familie fehlt.«
    Tekener kannte die Geschichte des Topsiders, der als sprechbehindertes Kind einer Schaukämpferin aus dem Ei gekrochen war. Irgendwann war er allein gewesen, zurückgelassen von der Familie, die nie nach Theatrum zurückgekehrt war. Ein paar Dron hatten sich seiner angenommen und ihn großgezogen. Sie hatten seine Gaumenspalten-Operation bezahlt und seine Ausbildung und ihn bei sich behalten. Als Hilfsarbeiter im Zirkus hatte er jede Menge über Technik, Zirkustricks, exotische Tiere, Akrobaten und Schausteller gelernt. Selbst aufzutreten war für ihn nie in Frage gekommen. Und so war er das geblieben, was er immer gewesen war: Nuggnugg, der nicht richtig sprechen kann.
    »Der Wimpel war Grün drei – Grün acht – Grün elf«, fuhr der Topsider fort. »Ich habe ein Jahr meines Lebens damit zugebracht, alle Fetzen aufzuspüren und zu vernichten. Nach der Tradition dieses Planeten habe ich damit meine Vorfahren ausgelöscht. Kein Wunder also, dass sie nie mehr nach Thea zurückgekehrt sind.«
    Ronald Tekener kannte diese Art von Logik, die sich im Naturgötterglauben vieler Planeten wiederfand. Weil etwas nicht da war, existierte es nicht.
    So weit das Auge reichte, flatterte die bunte Ebene im leichten Wind. Tekener entdeckte zwischen den Wimpeln grinsende Gesichter mit silbernen Ohren und weißen Hüten, die an Papierdrachen erinnerten. Dazwischen ragten goldene Zwiebeln auf, umgeben von dunkelroten Palisaden. Nach und nach schälten sich aus dem wogenden Farbenmeer einzelne Konturen, Fassaden, Gassen, Dachrinnen, Fenster und Türen. Sie steckten mitten in dem Wimpelmeer, als wären es ihre Kleider.
    Nuggnugg schlug das wollene Tuch zurück, die hellgrünen