PR Odyssee 01 - Die Kolonisten der Zukunft
fallen die braunen Locken auf ihre Schultern. Die grässlichen Wunden, die ihr die Bestie zugefügt hat, werden von den eng gewickelten bunten Bändern kaschiert.
In ihrer Religion bedeuten diese Bänder Unverwundbarkeit und ewiges Leben. Deshalb werden die Toten darin eingehüllt, bevor sie der Fluss für immer mit sich nimmt. Vor einigen fahren hat Khirm den Ursprung des Glaubens erfahren, der mit ihren Ahnen von Terra gekommen ist. Die Menschen haben uralte und heilige Bäume mit solchen Bändern geschmückt, als Zeichen von Würde und Unantastbarkeit.
Langsam treibt das Boot in die Mitte des Flusses, wo die Strömung reißend wird. Irgendwann, hunderte Kilometer entfernt Richtung Meer, werden die Flammen auf den Sarg übergreifen...
Wortlos wendet sich Ronika um. Schweigend geht sie am Ufer entlang zurück in die Stadt. Nichts wird mehr so sein, wie es einmal war. Khirm weiß, dass seine Frau den insektenhaften, unermüdlichen Arbeitern niemals mehr unbefangen begegnen kann. Sie haben den Schutzschirm vernachlässigt und sind schuld daran, dass, eine der wilden Bestien den Dschungel verlassen konnte. Jedenfalls glauben die Technikwächter, solche Spuren gefunden zu haben.
Ronika redet an diesem Abend kein Wort mehr. In der Nacht hört Khirm sie weinen. Aus der Ferne dringen die Stimmen des Urwalds heran.
Der neue Tag bringt einen Sonnenaufgang wie lange nicht mehr. In Minutenabständen steigen beide Gestirne über den Horizont herauf und ihre Strahlen vereinen sich zu einem gewaltigen Kaleidoskop. Ronika hat kaum einen Blick dafür. Ihre Augen sind blutunterlaufen, ihr Gesicht ist hager und eingefallen.
Am Abend findet Khirm die Waffe, einen handlichen Nadler mit starken Explosivgeschossen, die mühelos die Panzer der Arbeiter durchschlagen können. Er schweigt dazu, aber zwei Tage später sieht er Ronika am Rand der Siedlung stehen und die Arbeiter beobachten. Sie trägt die Waffe bei sich.
Noch bringt sie es nicht fertig, den Schuldigen zu töten. Aber sie wird es tun. Khirm kennt seine Frau lange genug, um zu spüren, was in ihr vorgeht. Sie haben ihren Ehevertrag auf Lebenszeit verlängert, als Godila geboren wurde. Eine schwere Geburt, in der Einsamkeit der Nordberge ohne medizinische Hilfe. Der Medogleiter war erst eingetroffen, nachdem Khirm selbst die Nabelschnur durchtrennt hatte.
»»Wir gehen fort!«, sagt er endlich. »»Third Hope birgt zu viele Erinnerungen, und ich will nicht, dass du zur Mörderin wirst. Für mich macht es keinen Unterschied, ob Mensch oder Insekt.«
Zwei Monate verbringen sie mit der Suche nach einer geeigneten Welt, bis sie endlich fündig werden und alle Formalitäten erledigen. Weitere zwei Wochen später starten sie an Bord eines kleinen Passagierraumers. 14.837
Lichtjahre bis New Egypt - für jemanden, der seinen Heimatplaneten nie verlassen hat, bedeuten sie eine gewaltige Entfernung. Und doch sind sie mit Zwischenaufenthalten innerhalb von sieben Tagen zu bewältigen.
Der letzte Start verzögert sich, ohne dass die Verantwortlichen Gründe dafür nennen. Erst am dritten Tag gibt es eine lapidare Verlautbarung, astrophysikalische Besonderheiten behinderten den Weiterflug.
Ein Hypersturm - vielleicht. Doch die Wahrheit ist weit erschreckender. New Egypt steht inmitten dichter Sternpopulation, die nächsten Sonnen nicht einmal ein Lichtjahr weit entfernt. Und eine dieser Sonnen ist im Begriff, zur Supernova zu werden. Innerhalb der nächsten zehn Standardjahre. Die planetare Regierung hat deshalb den Notstand ausgerufen und als erste Maßnahme alle Einwanderungsprogramme gestoppt. New Egypt wird wohl evakuiert werden müssen.
»Ohne den Zuschuss für die Existenzgründung wird unser Guthaben in einem halben Jahr aufgebraucht sein«, stellt Khirm bitter fest. »Der Flug war teuer genug.«
Zwei Tage später startet der Raumer ohne sie. Khirm und Ronika sind mit ihrer spärlichen Habe auf einer Welt gestrandet, die nichts anderes ist als ein gigantischer Umschlagplatz, ein Funkfeuer zwischen zwei galaktischen Spiralarmen. Schrill, hektisch und unerträglich. Hier gibt es keine Arbeit für einen Agraringenieur und eine Formdesignerin. Nicht einmal Gelegenheitsjobs. Roboterheere verrichten alle Verlade arbeiten auf den großen Raumhäfen, und in den Raumfahrerkneipen die Gäste zum Konsum zu animieren, wäre das Letzte, zu dem Ronika sich herabließe.
Khirm setzt alle Hebel in Bewegung, ihre Situation zu ändern. Aber die Botschaft der LFT war während des Kriegs
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