PR TB 031 Die Spur Nach Andromeda
tausend Augen!
Es war etwas Abschreckendes in diesem Wald. Nicht allein das
Bewusstsein, pflanzlichen Intelligenzen gegenüberzustehen,
sondern bereits der äußere Eindruck. Die rauhen
Unterseiten der rosafarbenen Blätter, die biegsamen, dünnen
Äste, die wie lackierter, federnder Draht aussahen und die
Blüten, die zwischen ihnen hervorsahen-das alles schien
unheimlich. Jeder Gedanke schien beobachtet zu werden von kleinen,
zitternden Kugeln, die an biegsamen Stielen aus den Blüten
hingen und die beiden Wesen betrachteten. Seymour fühlte etwas
Kaltes entlang seiner Wirbelsäule; die Kugel zwischen seinen
Wirbeln begann zu schmerzen.
Dann und wann wurde die Stille von einem langanhaltenden Schrei
oder einer Reihe wütender Rufe durchbrochen;jemand verwünschte
dort draußen die Flüchtende und den Eindringling. Der
Geruch war abstoßend. Aus den Spalten der glatten Stämme
schien betäubend riechendes Harz zu quellen wie Blut aus einem
Aas. Angewidert drehte Seymour den Kopf .und blickte aufMboora.
„Sie lassen uns nicht heraus“, sagte er und rieb
nervös den Ring Nkalays, „aber sie kommen auch nicht
herein. Natürlich haben wir, um unser Leben zu retten, ein
weiteres Tabu gebrochen, was alles auch nicht einfacher macht.“
„Ja“, bestätigte sie mutlos, „du hast
recht.“
Jetzt war es völlig dunkel. Durch die Blattbüschel
schimmerten vereinzelte Sterne, draußen warteten zu allem
entschlossene Bewohner dieser Siedlung; über das unterirdische
Kommunikationssystem liefen die Nachrichten von diesen zwei
ungeheuerlichen Verbrechen den Strand entlang, hinauf zum
Nordmeer.... überall wusste man schon davon. Die Terraner,
voller Freundschaft empfangen, wurden zu Feinden. Als habe sie seine
Gedanken erraten, sagte Mboora:
„Nur du und ich sollen getötet werden, nicht deine
Freunde. Bei uns richtet sich die Rache stets nur auf den, der sie
herausfordert. Dies ist so.“
„Immerhin ein Trost“, sagte Seymour. „Weißt
du eine Möglichkeit, eine Nachricht ins Schiff zu bringen?“
Stumm schüttelte sie den Kopf.
„Ich im Moment auch nicht. Wir werden unsjetzt unter den
Augen der Flamingobäume hinlegen und versuchen, etwas
auszuruhen. Vielleicht fällt Sasaki oder Roothard etwas auf, und
sie reagieren richtig. Aber schließlich sind sie keine
Abwehragenten.“
„Was?“
„Nichts“, sagte er und setzte sich neben sie auf das
trockene Moos, das sich wie rauher Stoff anfühlte. „Versuche
zu schlafen.“
Er verschränkte die Hände hinter den Kopf, legte sich
zurück und sah hinauf in das Laubwerk. Die S’adborc waren
nicht viel höher als zehn, fünfzehn Meter und standen eng
beieinander. Die Stämme wanden sich in einigen Knicken aufwärts,
jeweils in einem anderen Winkel; das schuf von weitem die Illusion,
es könnten Beine von großen Vögeln sein. Der Geruch
nahm zu und wurde unangenehmer.
Zwei Stunden vergingen. Mboora schlief. Sie atmete in kurzen,
hastigen Zügen. Zwischen vereinzelten Bäumen fielen
Streifen kupferner Helligkeit zu Boden; Seymour betrachtete die Frau.
Sie war fremd und trotzdem irgendwie bekannt; sie verkörperte
selbst hier, Unendlichkeiten von Terra entfernt, ein lebendiges,
denkendes Wesen. Man konnte sie berühren, mit ihr sprechen,
Gedanken austauschen-das gleiche, unwandelbare Prinzip allen Lebens;
wo immer es sich zeigte, und wie es auch aussah. Wind kam auf und
raschelte mit den Blättern. Die Augen der weißen Blüten
hatten sich geschlossen; es begann nach Salzwasser zu riechen.
Der Wind war wie eine ferne Stimme, ein inbrünstiger Ruf aus
einer fremden Welt. Dunkle Gestalten bewegten sich unruhig zwischen
Wald und Kuppeln. Seymour hörte ein Murmeln;jemand verwünschte
denjenigen, der zwei Tabus gebrochen hatte. Und noch etwas: Etwas
kletterte an seinem Bein hoch.
Seymour beugte sich vorsichtig nach vorn, bereit,jeden Moment
seine Handkante heruntersausen zu lassen. Dann entspannten sich seine
Muskeln, und er sagte halblaut:
„Amoo-mein Freund. Du siehst deinen Herrn in einer fatalen
Situation.“
Der Tecko blieb auf Seymours Brust sitzen und sah ihn unverwandt
an. Seymour stellte wütend fest, daß er auch den
Verstärker in seinen Räumen liegengelassen hatte. Der Tecko
konnte ihn-undjeden anderen auch-hören und verstehen; umgekehrt
war es nur mittels des Verstärkers möglich.
„Amoo, du läufstjetzt ins Schiff, so schnell du kannst.
Wenn du mich verstehst, dann nicke bitte.“
Amoo nickte und blickte Seymour unverwandt an.
„Du holst
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