PR TB 031 Die Spur Nach Andromeda
nicht ertragen, die Außenwelt nicht zu
sehen.“
Seymour verstand. Für ein Volk, das seit Jahrhunderten in
durchsichtigen Kuppeln zu leben gewohnt war, stellte ein stählernes
Schiff eine tödliche Gefahr dar. Klaustrophobie würde sich
einstellen, aber die technischen Möglichkeiten der VANESSA waren
noch nicht erschöpft. Seymour drückte auf einer schmalen
Leiste Knöpfe hinein; in der Zentrale schalteten sich die
Sichtschirme ein. Die Linse, die dem Wasser zugekehrt war, leitete
ihr Bild in Seymours Kabine. Auf dem großen Schirm des
>Fensters< erschien plastisch der Strand und mit ihm die Monde
und die See.
„Das ist ein Fenster“, sagte Seymour nachdrücklich.
„Du kannst, wann immer du willst, hinaussehen. Gut so?“
Sie nickte. Seymour drehte sich um, öffnete die Tür der
winzigen Duschkabine und Toilette und deutete hinein. Dann zog er die
Tür zum Gang auf und wollte gehen. Mbooras Stimme hielt ihn auf.
„Terraner Seymour“, sagte sie sehr leiste. „Ich
danke dir und deinen Freunden!“ „Wofür?“
fragte Seymour und lächelte knapp.
„Dafür, daß ich noch lebe.“
Seymour nickte ihr zu und verließ den Raum. Oben kippte er
den schweren Sessel nach hinten, zog die dünne Jacke aus und
warf sie auf das Steuerpult; sofort hüpfte der Tecko darauf zu
und verkroch sich in den Falten. Seymour war müde, und er wollte
schlafen. Kurz bevor seine Gedanken absackten in das Dunkel des
Schlafes, hörte er die Stimme derjungen B’atarc noch
einmal.
„Ich danke dir, daß ich noch lebe.“
Seymour drehte sich herum und holte tiefLuft. Und plötzlich
sagte der Tecko:
„Über dem nördlichen Meer steht ein riesiges,
silbern glänzendes Ding.... scheibenförmig. Dort leben
Wesen, die nicht aufB’atarc geboren sind. Sie nennen sich
Modulatoren, ich hörte es in ihren Gedanken.“
Aber Seymour schlief ein.
Das Wäldchen der Flamingobäume: Noch immer hielten die
Eingeborenen ihre Blicke auf das Zentrum des Waldes gerichtet und
versuchten, zwischen den schwarzen Stämmen in der Dunkelheit
etwas zu erkennen. Eine leidenschaftliche Erregung-etwas Böses,
Unausweichliches-war in den großen Augen der B’atarc und
auch in ihren Körpern. Mehr als das Verlangen, ein verletztes
Tabu zu sühnen, ein Verbrechen zu bestrafen. Die Masse der
B’atarc begann zu schwanken; ein langanhaltendes Stöhnen
wurde hörbar, dann die dumpfen Takte eines Liedes, von heiseren
Kehlen angestimmt. Gesichter, über die sich gelbschwarze Haut
spannte, strafften sich und gaben spitze, kleine Zähne frei.
Arme erhoben sich; zwei weißgekleidete Gestalten kamen von
hinten, zwischen den ersten Kuppeln hervor. Es waren Männer.
Einer von ihnen war Kvoogh.
Sie trugen weiße, tunikaähnliche Gewänder, von
auffallend breiten, grünleuchtenden Gürteln
zusammengehalten. Der Halsschmuck, ähnlich wie der Mbooras, war
schwarz und schwer, bestand aus Metallplättchen mit Lacküberzug.
Die Männer trugen Schwerter, die man nur mit beiden Händen
schwingen konnte.
Der dichte Kreis um das Wäldchen wogte im Rhythmus vor und
zurück, vor und zurück. Sechshundert oder mehr Kehlen
sangen ein dumpfes, uraltes Lied, von dem niemand mehr wusste, woher
Text und Melodie stammten. Es war das Lied der ersten Kolonisten
B’atarcs.
Die Masse teilte sich. Eine breite Gasse tat sich auf. Sie mündete
auf der einen Seite am Wald; die ersten, kleinen Bäume wurden
sichtbar. Auf der anderen Seite, dicht neben den ersten Wohnkuppeln,
hockten sich die Männer nieder, nahmen die Schwerter in die
Hände, legten diese auf die spitzen Knie und warteten
unbeweglich. Die kahlen Köpfe richteten sich auf die Öffnung.
Die Männer sangen nicht mit, aber lauschten aufmerksam den
Klängen des Refrains, der immer wiederholt wurde, bis zum
Morgengrauen.
Einige B’atarc gingen, andere kamen hinzu, ließen sich
von der drängenden Spannung anstecken, fielen in den Gesang ein
und wiegten sich im Takt. Die kleinen, zwitschernden Wesen, die
einander in den Kuppeln betrachteten und voreinander keinerlei
Geheimnisse hatten, waren durch dieses Ereignis verändert. Wilde
Glut flammte in ihnen, und sie warteten darauf, bis zwei verhungerte,
hohläugige Wesen durch die Gassen kommen würden. Und wenn
es Tage dauern würde oder gar Umläufe. Sie warteten. Stunde
um Stunde verging. Ab und zu erhob sich ein gellender, zitternder
Schrei über das dumpfe Lied, brach wieder ab.
Sie warteten auf Seymour und Mboora. Hinter ihren Rücken ging
M’accabi auf und überschüttete die
Weitere Kostenlose Bücher