PR TB 038 Die Grenze Des Imperiums
Seit heute früh ist er in seiner Wohnung. Es
geht ihm, den Umständen entsprechend, gut. In zehn Tagen ist er
wieder restlos wiederhergestellt. Zufrieden?«
»Ich brauche einen Würfel, Miriam.«
»Wozu?«
»Ich werde nachjedem Satz, den Sie mir erzählen,
würfeln. Eine Sechs bedeutet, daß Sie nicht lügen.
Einverstanden?«
Sie senkte den Kopf.
»Was wollen Sie, Miriam?« fragte Kelly grob. »Ich
bin zu alt, um mit Ihnen idiotische Dialoge zu führen. Außerdem
werde ich erwartet.«
»Haben Sie eine Viertelstunde Zeit, eine nicht erlogene
Geschichte zu hören?« fragte sie, bot ihm den zweiten
Stuhl an und lehnte sich gegen die Kante ihres weißen
Schreibtisches. Kelly setzte sich und merkte, daß er seine
Waffe nicht bei sich hatte.
»Zuerst eine Frage: Mögen Sie mich?«
Kelly grinste etwas und antwortete dann ruhig: »Ich würde
lügen, wenn ich sagte, daß Sie mir unsympathisch sind. Ich
finde Sie recht hübsch, recht gescheit, und offensichtlich sind
Sie auch eine sehr gute Ärztin. Aber ich vertraue Ihnen nicht.«
»Auch nicht, wenn ich Ihnen berichte, daß Staigher ein
Verbrecher ist?«
»Nur mit Vorbehalten.« Er meinte es ehrlich.
»Staigher hat zusammen mit Serafian die Höhle
geplündert und sowohl einige Kilogramm geschliffene,
offensichtlich sehr wertvolle Edelsteine aus den Fassungen gebrochen.
Anschließend hat er noch die Statue des goldenen Götzen
mitgenommen. Er ist der Initiator dieser Geschichte, und als ich Sie
bat, Geduld mit ihm zu haben, meinte ich es — sicher zu Ihrem
Erschrecken! — tatsächlich ehrlich. Ich glaube, damals
liebte ich ihn noch immer. Undjetzt meine Bitte: Gehen Sie mit mir
und Ariman zum Schiff, denn dort sind die Edelsteine. Wir holen sie,
und Sie schweigen über Ari-mans und meine Beteiligung an der
Sache. Ist das ein fairer Kompromiß?«
Kelly legte den Kopf schief und trommelte mit den Fingern auf der
Sessellehne.
»Was habe ich davon?« fragte er. »Ich bin hier,
um eine Stadt zu bauen, nicht um nach Diamanten zu suchen.«
»Wenn Sie behaupten, durch meinen Hinweis die Steine
gefunden und gerettet zu haben, wird niemand Sie mehr belästigen.
Aber Ariman und ich werden aus unseren Posten gefeuert, daß wir
ohne Kompaß nicht mehr zurückfinden. Ihr Freund würde
sagen: Wer anderen verzeiht, wird gesegnet! Verzeihen Sie.«
»Wer segnet mich?«
Sie stand auf, kam näher und blieb dicht vor ihm stehen. Ihre
Hand berührte seine Wange, sie breitete die Finger aus und
umfaßte seinen Kopf. Kelly rührte sich nicht und glaubte,
rund gerechnet, etwa jedes fünfzehnte Wort. Aber er war
neugierig darauf, wie sich Dr. Miriam Traver aus der Schlinge ziehen
würde.
»Wer segnet mich?« fragte er leise.
»Ich, Kelly«, versprach sie, »auf meine Art. Auf
meine ganz persönliche, reizende und unnachahmliche Art. Sagen
Sie ein Wort. Sagen Sie Ja.«
Kelly stand auf, und die Hand glitt von seinem Haar und blieb auf
der Schulter liegen. Der Abstand zwischen Miriam und Kelly
verringerte sich immer mehr, dann lehnte sie sich gegen ihn und legte
den Kopf an seine Schulter.
»Sie reden wie der Werbefunk«, sagte Kelly leise.
»Ich werbe für mich und für meine letzte Chance.
Ich bin, glaube ich, zu gutmütig. Ich falle immer auf solche
Figuren wie Mischa herein. Gestatten Sie mir die Werbung.«
»Wo sind die Steine?« fragte Kelly und fühlte die
Wärme ihres Körpers durch den Stoff seines Hemdes.
»In der STEAMBOAT II«, antwortete sie. Ihre Stimme
schien aus dem Nebenzimmer zu kommen. Kelly faßte zerstreut,
ohne dabei zu denken, nach ihrem Haar und wickelte eine Strähne
zwischen Zeigefinger und Mittelfinger; es gab solche Reflexe.
»Wo in der STEAMBOAT?« fragte er flüsternd.
»Im Sockel des Impulsgeschützes. In einem Werkzeugfach,
dessen Schlüssel ich gestern bei der Untersuchung Staigher aus
der Brusttasche genommen habe.«
»Wieviel Steine, Täubchen?« fragte Kelly und
begann eine zweite Haarsträhne aufzuwickeln. Sie legte einen Arm
um ihn und rieb ihre Wange an der Schulter. Kelly fühlte ein
feines Stechen an der Wirbelsäule.
»Siebentausenddreihundertachtzig Gramm terranischen
Gewichts.«
Das Stechen in der Nähe der Wirbelsäule war einer ihrer
spitzen Nägel.
»Wie hat sie Staigher dorthin schaffen können?«
Sie hob ihm ihr Gesicht entgegen. Ihre riesigen Augen schienen ihn
aufsaugen zu wollen wie ein Mahlstrom.
»Er kontrollierte die Robotwartungsarbeiten im Boot.«
Er zog spielerisch an ihrem Haar. Ihr Gesicht hob sich noch
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