PR TB 040 Herr über Die Toten
Lunor auch nachdachte, es blieb die einzige
Information.
Er seufzte schwer.
Vielleicht ist meine Suche nach der Halle der ewigen Nacht
sinnlos, sagte er sich. Vielleicht liegt die Wahrheit in mir selbst
verborgen, und ich muß nur einen Weg finden, an sie
heranzukommen.
Trotzig warf er den Kopf in den Nacken.
Umkehren… ?
Nein!
Langsamer als zuvor schritt er weiter, doch nichtsdestoweniger
zielstrebig. Das Gelände stieg allmählich an. Nach der
Überquerung eines Rasenstreifens hatte er das Stadtgebiet
endgültig verlassen. Nun erstreckte sich vor ihm die
ungepflegte, hüfthohe Graslandschaft der Wildnis, durchsetzt mit
kugeligen Arro-Sträuchern und wenigen Baumgruppen.
Zur Linken strahlte unvermindert hell die gläserne Kuppel des
Tempels.
Lunor erkannte, daß er einen noch weiteren Umweg würde
machen müssen, um nicht entdeckt zu werden. Vor dem Hintergrund
der Stadt würde sich seine Silhouette deutlich abzeichnen, ein
nicht zu verfehlendes Ziel für die Wächter.
Zwischen moosüberwachsenen Steinblöcken schlug sich
Lunor nach rechts. Er umging den Hügel, auf dessen runder Kuppe
der Tempel stand, und begann den beschwerlichen Aufstieg über
eine zerklüftete Felswand, die jäh aus dem Grashang
hervorbrach.
Irgendwo in der Nähe ertönte das schrille Pfeifen einer
Strauchechse, des einzigen großen Raubtieres auf diesem
Planeten.
Lunor duckte sich in eine Felsnische und wartete. Vielleicht hatte
ihn das Tier nicht gesehen und zog wieder ab, so daß er seinen
Aufstieg fortsetzen konnte.
Aber dieser Wunsch erfüllte sich nicht.
Ein ungefähr vier Meter langer, grauschwarzer Schatten kroch
über ein Felsband heran. Die kugeligen Augen der Strauchechse
schimmerten gelb aus dem Dunkel. Instinktiv, ohne daß er sich
dessen überhaupt bewußt wurde, schaltete Lunor den
Hypnosescheinwerfer ein. Rasch wechselnde, bunte Lichtkringel zuckten
durch die
Nacht und wurden von der spiegelglatten Haut der Echse
reflektiert.
Die gelben Augen verengten sich.
Die flach hingeduckte Silhouette des Raubtiers regte sich nicht
mehr.
Fast eine Viertelstunde verharrten Lunor und das Tier bewegungslos
auf ihren Plätzen. Dann ruckte die Echse mit einem grausigen,
miauenden Schrei herum und stürmte davon. Steine rollten und
polterten den Hang hinunter.
Schweißgebadet richtete sich Lunor auf.
Er lächelte verkrampft.
Wenigstens hatte der Zwischenfall ihm bewiesen, daß sein
Hypnosescheinwerfer eine vorzügliche Defensivwaffe darstellte.
Den Rest des Felshanges bewältigte er in wenigen Minuten.
Von da an kroch er über die künstlich abgeplattete,
deckungslose Hügelkuppe auf den strahlenden Tempelbau zu. Die
Möglichkeit, unentdeckt heranzukommen, erschien ihm selbst sehr
gering.
Dennoch schaffte er es.
Erschöpft blieb er einige Atemzüge lang liegen, dicht an
das glasartige Baumaterial gepreßt.
Erst, als sich danach noch immer nichts rührte, glaubte er
wirklich daran, daß man ihn nicht entdeckt hatte.
Vielleicht wußten die hypothetischen Wächter des
Tempels von den Strauchechsen, die sich hier herumtrieben. Vielleicht
hielten sie das für einen ausreichenden Schutz. Das kam Lunor
durchaus nicht absurd vor; niemand aus Maa Duun hatte bisher gewagt,
in die Nähe des Tempels zu kommen - außer den wenigen
Ältesten des Lun-Klans, deren Privileg es war, alle Teile des
Bauwerks zu betreten, nur nicht die Halle der ewigen Nacht!
Lunor versuchte, durch einen der zahlreichen Nebeneingänge
hineinzukommen. Leider erwies sich dieses Unterfangen als
undurchführbar. Die Türen waren verschlossen.
Sekundenlang dachte er an Umkehr.
Aber dann schüttelte er den Kopf.
Er wußte, wenn er jetzt umkehrte, würde er sich niemals
zu einem zweiten Versuch aufraffen können.
Mit eingeschaltetem Hypnosescheinwerfer schritt er auf das hell
erleuchtete Hauptportal zu.
Er hielt den Atem an, als er die hochgewachsene Gestalt bemerkte,
die, in einen bläulich glitzernden Umhang gehüllt, mitten
im Portal stand.
Behutsam richtete er den Lichtkegel des Hypnosescheinwerfers auf
den Kopf der Gestalt. Dann stieß er einen leisen Pfiff aus.
Der Kopf des anderen fuhr herum.
Pulsierende Lichtreflexe erhellten ein bleiches Gesicht,
spiegelten sich in weit aufgerissenen Augen.
Der Tempelwächter öffnete den Mund, brachtejedoch keinen
Ton heraus.
Lunor ging näher heran.
“Niemand ist gekommen!” flüsterte er
eindringlich. “Du hast mich nicht gesehen. Wiederhole den
Befehl!”
Der Wächter schwieg.
Lunor änderte
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