PR TB 164 Die Höhlen Von Olymp
abgenommen hatten. Außerdem reichte er
ihm einen Behälter mit Konzentratpillen.
„Das Zeug schmeckt zwar nach nichts", meinte er dazu,
„aber es hält den Hunger und den Durst fern und erzeugt
keinerlei Abfälle."
Zum Abschied schüttelten sie einander die Hand - wie zwei
langjährige Freunde.
„Wenn mir Zeit bleibt", sagte Valtari, „werde ich
zu den Siegelbewahrern stoßen, solange du dich bei ihnen
aufhältst. Ich bin beinahe sicher, daß wir einan
der noch einmal über den Weg laufen, bevor du Olymp verläßt."
Sanssouq hielt die dargebotene Hand fest. Es war ihm nicht zumute,
als verabschiede er sich von einem Roboter.
„Sag mir noch eines!" bat er. „Auf Gäa
spricht man von einem hochentwickelten Robot, der einst als Kaiser
auf Olymp herrschte..."
„Um Gottes willen!" fiel ihm Valtari mit typisch
menschlicher Reaktion ins Wort. „So offen spricht man davon?"
„Nein - das war falsch ausgedrückt. Julian Tifflor
spricht davon, und ein paar Leute in seiner Umgebung ebenfalls."
Valtari atmete auf.
„Gott sei Dank", seufzte er erleichtert. „Es wäre
schlecht um Olymp bestellt, wenn diese Sache ruchbar würde."
Daß Sanssouq eine Frage hatte stellen wollen, schien er
vergessen zu haben. Aber Sanssouq ließ sich nicht so einfach
abspeisen.
„Wie gesagt: Es gab einst einen Kaiser auf Olymp, der ein
vollendet menschenähnlicher Roboter war. Sag mir: Bist du Anson
Argyris?"
Valtari blickte ihn lächelnd an.
„Ich wußte, daß du nicht locker lassen würdest,
mein Junge. Anson Argyris ist eine meiner achtundvierzig Masken."
Der Weg war lange und einsam. Schlimmer noch: es gab nirgendwo
Wasser. Zwar litt Sanssouq unter Durst keine Not; schließlich
enthielten die Tabletten, die Valtari ihm überlassen hatte,
alles, was der Körper brauchte. Aber er verwilderte äußerlich.
Es war Tage her, seitdem er sich zum letztenmal gewaschen hatte. Sein
Bart sproß, das Haar wuchs ihm zum Nacken herab, und obwohl er
selbst infolge allmählicher Gewöhnung ihn nicht wahrnahm,
war er überzeugt, daß sein Habitus inzwischen einen Geruch
ausströmte, der jeden halbwegs zivilisierten Menschen in die
Flucht schlagen würde.
Am achten Tag allerdings geschah das große Wunder. Sanssouq
gelangte in eine riesige, hell erleuchtete Halle. Sie war leer bis
auf eine aus solidem Felsgestein aufgeführte Umfriedung, die
sich mitten auf der leeren Bodenfläche erhob. Mehr aus Neugierde
ging Sanssouq auf das etwa einen Meter hohe Bauwerk zu. Er spähte
über die Umfriedung hinweg und erblickte -einen hellen, klaren
Wasserspiegel!
Mit einem Schrei der Begeisterung riß er sich die Montur vom
Leib. In diesem Augenblick dachte er nicht daran, daß ihm von
irgendwoher Gefahr drohen könne. Er kam auch nicht auf den
Gedanken, die Flüssigkeit erst zu prüfen, ob sie wirklich
reines Wasser sei. Er sprang über die Umfriedung mitten in das
herrlich kühle Naß hinein.
Wenigstens eine Stunde lang genoß er, was er so lange
vermißt hatte. Er sprang umher und planschte wie ein Kind. Als
er schließlich wieder aus dem Wasser hervorkroch, fühlte
er sich wie neugeboren. Er hockte sich nackt auf den Rand des Beckens
und beobachtete zufrieden, wie sich die Wasserfläche allmählich
glättete und zum makellosen Spiegel wurde.
Da kam ihm ein Gedanke. Er stieg vorsichtig, um nicht allzuviel
Wellen zu machen, wieder ins Wasser hinab. Er beugte sich vornüber
und wartete, bis die Wasseroberfläche wieder glatt geworden war.
Dann hob er den rechten Arm, so daß er in der Spiegelung die
Achselhöhle zu sehen bekam. Mit der linken Hand schob er den
Haarwuchs beiseite - immer behutsam, damit die Bewegung keine Wellen
erzeugte.
Und schließlich sah er ihn: den Fleck auf der Haut, etwa so
groß wie die Hälfte des Nagels am kleinen Finger. Er
starrte ihn an, verblüfft, perplex, weil er nicht wirklich
geglaubt hatte, daß es ihn gebe. Den Hautfleck, der angeblich
ein Erbmerkmal der vandalischen Laienbrüder war.
Der vandalischen Laienbrüder, die es nicht gab! Er war
verwirrt. Er versuchte, durch Nachdenken zu ergründen, warum er
das Merkmal einer Gruppe von Menschen trug, die nur in der Erfindung
existierte. Natürlich war auch der violette Fleck erfunden. Aber
die Erfindung hatte stattgefunden, lange bevor Sanssouq, der Mann aus
dem Nichts, Olymp erreichte. Übrigens war Sanssouq sicher, daß
Valtari seine rechte Achselhöhle nie zu sehen bekommen hatte.
War es ein Zufall?
Es mußte wohl einer sein, sagte er sich
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