PR TB 169 Der Purpurne Drache
Turmes
anzusehen, lehnte sich Atlan gegen die Flanke der Maschine und sah
hinauf zu dem weißgekleideten Mädchen. Es kam langsam die
Stufen herunter und wirkte irgendwie geistesabwesend und starr. Sie
heftete den Blick unverändert auf Atlan und blieb vor ihm
stehen. Mit einigen Schritten kamen die Mitglieder des Teams herbei
und betrachteten das gutaussehende Mädchen voller Verwunderung.
»Wer bist du?« fragte Atlan halblaut und voller
Spannung.
»Ich bin Drigene, aus dem Stamm der Dünenvölker.
Ich bin die Gefährtin von Djosan Ahar.«
»Dies ist Scarron«, erklärte der Arkonide. »Ich
bin Atlan. Die anderen sind ...«
Er nannte die Namen und die Tätigkeiten der Männer. Die
Starre des Mädchens löste sich nicht
für einen Augenblick.
»Wo ist Djosan?« erkundigte sich Sarab Lavar.
»Ich weiß es nicht. Vor einem halben Tag ist er mit
dem Gleiter weggeflogen. Er hat nichts gesagt.«
»Du wirkst erschöpft und seltsam, Drigene«,
meinte daraufhin Scarron. »Bist du krank?«
Drigene starrte Atlans Freundin mit einem interesselosen Blick an
und schüttelte den Kopf. Dann flüsterte sie stockend:
»Er hat sich umgebracht. Noch niemals hat sich ein Mann
umgebracht. Akureyn schoß sich durch den Kopf und ritt davon.«
»Wie?«
Eine Situation voll unerwarteter Seltsamkeit entstand. Der Turm
ragte wie ein schwarzer Berg hinter dem Gleiter und den Personen auf.
Dicke, schneeweiße Wolken drifteten über das strahlend
blaue Firmament und warfen dunkelgraue Schatten über die
Landschaft. In der Ferne glänzten die ersten messerscharfen
Dünenrücken. Erschrocken und von dem Zustand des
Mädchens verwirrt, erkundigte sich der Mann mit der seltsamen
Gesichtsmaske:
»Wer ist Akureyn? Warum erschoß er sich? Und was ist
seltsam an einem Selbstmord bei Mu ...«
Gerade noch rechtzeitig verwandelte er den Anfang des letzten
Wortes in ein undeutliches Murmeln. Aescunnar stieß ihn hart
mit dem Ellbogen in die Seite. Drigene hob die Schultern und stieß
hervor:
»Ich war mit Akureyn zusammen, ehe mich Djosan hierher... er
wollte mich zurückholen. Noch niemals hat sich ein Mann
umgebracht. Es sind viele gestorben, aber keiner durch seine eigene
Hand.«
»Verstehe ich richtig? Akureyn brachte sich um, weil du
nicht mit ihm zurückgehen wolltest?« fragte Atlan und
bemühte sich, so ruhig wie möglich zu bleiben. Das Mädchen
schüttelte wild den Kopf und schluchzte auf. Ihr Haar flog hin
und her. Sie schrie:
»Nein!«
»Dies ist nicht der Grund?«
»Sondern?«
»Er sagte, daß er ganz genau weiß ... alle
Männer auf Karthago sind schlechter, nein, nicht schlechter,
sondern weniger wert als die von Gäa. Ihr seid besser, etwas
fehlt uns. Die Einsicht brachte ihn um, sagte er.«
Scarron ging zu ihr hinüber, legte den Arm um ihre Schulter
und blickte Atlan fragend an. Der Arkonide deutete wortlos in die
Richtung des Eingangs. Wie betäubt ließ sich Drigene
mitziehen, aber auf halbem Weg blieb sie stehen und rief über
die Schulter zurück:
»Und als er starb, hat die Erde gebebt. Steine fielen vom
Turm herunter.«
Steine und Splitter lagen auf den Granitstufen und im Gras rund um
den Turmsockel; der Beweis, daß das Mädchen die Wahrheit
sprach. Das Unbehagen in Atlans Überlegungen kletterte wie das
Quecksilber in einem Thermometer. Vor dem Eingang, einer
vorspringenden einfachen Stahlplatte, durch eine Säule gestützt,
blieben sie stehen und schauten sich abermals mißtrauisch um.
»Verdammt! Wo nur Djosan steckt!« murmelte Sarough
Viss und musterte Drigene mit fast wissenschaftlichem Interesse.
»Es muß etwas passiert sein!« sagte drängend
Sarab Lavar. »Wir alle kennen ihn als einen Mann von großer
Zuverlässigkeit.«
»Möglicherweise hat ihn das Beben aufgehalten. Sehr
denkwürdig - es gibt keine einzige Aufzeichnung über ein
Beben auf Karthago. Es muß das erste seit knapp zwölf
Jahren gewesen sein.«
Cyr Aescunnar machte sich eine Notiz und fragte das Mädchen,
wann das Beben stattgefunden hatte. Die Antwort trug nicht dazu bei,
sie zu beruhigen.
»Gerade, als das Schiff landen wollte. Euer Schiff.«
Zuerst ging Ghoum-Ardebil durch die schwere Bohlentür in den
Turm hinein. Er blieb verdutzt
stehen, als er die Anordnung der Möbel und
Einrichtungsgegenstände sah. Durch die vielen schmalen,
Schießscharten nicht unähnlichen Fenster des uralten
Gemäuers fiel das Sonnenlicht in schrägen Bahnen hinein.
Der Ara trat zur Seite und anal;, vierte schweigend die Eindrücke.
Als letzter
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