PR2607-Der Fimbul-Impuls
die Situation im Solsystem darstellte. Vom Datenspeicher seines MultiKom-Armbands spielte er ARINNA, der Positronik der Station, eine Infodatei zu.
ARINNA öffnete die Datei in einem Holo. Sarmotte und die Besatzung der Sonnenforschungsstation sahen zum ersten Mal detaillierte und der Öffentlichkeit nicht zugängliche Bilder der fremden Schiffe, die zuerst in das Sonnensystem und später in die Sonne selbst eingedrungen waren.
Shaveena Deb und ihre Mitarbeiter kannten natürlich die gerechneten Darstellungen. Aber in der Konvektionszone wiesen die elektromagnetischen Wellen höhere Wellenlängen auf. Es gab in dieser Region kein für Menschenaugen sichtbares Licht, nur ultraviolettes Licht.
Die Holosphäre blähte sich auf über drei Meter Durchmesser auf. Die Nagelraumer wurden in ihren Details sichtbar.
»Die Sonnennägel«, sagte Deb.
Die Nagelköpfe entpuppten sich als kuppelförmig gewölbte Gebilde mit einem Basisdurchmesser von 500 Metern und einer Höhe von 150 Metern. Außerhalb der Sonne hatte es ausgesehen, als bestünden sie aus einem mattgrauen Material. Ihre Polregion strahlte nun grellweiß – möglicherweise die Abstrahlfelder des Antriebs.
Von diesem Pol schienen wie von einem Vulkankrater Lavaströme auszugehen und unterteilten die Wölbung in unregelmäßige Segmente. Diese Abschnitte schienen von Hunderten Pailletten besetzt. Diese Metallplättchen glühten mal rotgolden, mal in einem grellen Weiß.
Zwischen den Paillettenreihen erstreckten sich schwarze Linien.
Niemand hatte Kenntnis darüber, worum es sich bei diesen mal runden, mal ovalen Elementen handelte: Bullaugen? Geöffnete Hangars, durch die das Licht des Inneren in den Weltraum strömte? Projektionsfelder, die den Schutzschirm generierten? Waffen?
Sarmotte machte sich die Proportionen klar: Demnach mochten die kleineren Pailletten zwei Meter durchmessen, die größten aber bis zu zwölf Meter.
Einige jedenfalls überstrahlten die anderen geradezu. Wie eine Nova reguläre Sterne. Sarmotte versuchte, ein Muster in diesen Novae zu entdecken. Jedes Muster sprach zu ihr; wenn sie ein Muster erkannte, wusste sie, was zu tun war.
Bei den Sonnennägeln misslang es. Das Glühen und Leuchten der Pailletten ließ sie ratlos zurück.
Wenn diese Schiffe Nägel waren, dann gigantische Nägel – ihr Stift war 2600 Meter lang bei einer Querschnittkantenlänge von 200 Metern. Die Lavaflüsse, die die Kuppel gliederten, setzten sich in der Region der Stifte fort. Die Hülle des Schiffes war wie von einem leuchtenden Adergeflecht gezeichnet. Adern, die aus dem Schiffsinneren hervortraten und in Richtung Nagelspitze verliefen.
Nur dass die Stifte auf keine Spitze zuliefen, sondern sich in ihrer vorderen Region in eine Unzahl tastender Fäden oder Tentakel auflösten.
Sarmotte spürte, dass diese Schiffe unterwegs waren in einer Mission, die nicht im Interesse der Menschheit lag. Aber sie konnte sich nicht gegen die Aura überwältigender Schönheit wehren, die die Sonnennägel umgab.
Sie bedauerte es fast, als das Holo verblasste.
»Wir wissen nicht, wer diese Schiffe steuert. Wir kennen weder ihre Besatzungen noch ihr Ziel«, sagte Reginald Bull. »Aber wir nehmen mit einiger Sicherheit an, dass ihre Tätigkeit in der Sonne einen paranormalen Aspekt hat.« Er wies auf Sarmotte. »Shanda Sarmotte ist Telepathin. Sie wird versuchen, die Gedanken der Fremden zu erkunden.«
Sarmotte spürte, wie die Piloten und die anderen Wissenschaftler sie musterten. Sie nahm in einem der freien Sessel Platz, drehte ihn von den Armaturen weg und richtete ihn auf die Mitte der Zentrale aus, wo Bull immer noch neben Deb in ihrem Kommandantensessel stand.
Deb streckte einen Arm aus und schnippte. Ein Servoroboter kam herangeschnurrt, dessen zylindrischer Aufsatz aus einem Torso mit einem angedeuteten Kopf bestand.
Und der – Sarmotte atmete tief ein – unverkennbar nach frisch gebrühtem Kaffee roch. Das Gerät langte mit seinem Armtentakel in die eigene Brust und förderte eine Tasse zutage, aus der sich ein aromatischer Schwaden kräuselte. Deb nahm die Tasse, roch daran und nickte Sarmotte über den Rand zu.
»Niemand an Bord macht besseren Kaffee als Herr Bohne«, behauptete sie. »Wenn du auch etwas willst?«
Sarmotte schüttelte lächelnd den Kopf.
»Sehr vernünftig«, lobte Deb. »Resident?«
Bull nahm an und wurde von der mobilen Kaffeemaschine bedient. Er nahm einen Schluck.
Sarmotte tauchte kurz in die Gedanken der Kommandantin. Sie
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