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Prickel

Prickel

Titel: Prickel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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schwappt, kann man spüren, wie einem beim Ablaufen des Wassers der Sand unter den Füßen weggespült wird. Genauso, hatte ich das Gefühl, erging es mir im Moment mit der verbleibenden Zeit. Alle Welt schien nicht nur anzunehmen, nein zu wissen, daß ich Roselius befreit hatte und alle schienen sich obendrein einig, daß es über kurz oder lang zwangsläufig ans Licht kommen würde, wenn ich nicht gar selber damit herausrückte. Freiwillig oder auch nicht. Dies war eine absolut kuriose Situation, und ich würde in den nächsten Tagen wie ein Verrückter herumrennen und gleichzeitig höllisch aufpassen müssen, wohin ich meine Füße setzte.
    Schrriiinngg! »Mußtest du mich da mit reinziehen?!«
    Zora. »Weißt du nicht, was für ein heuchlerischer Moralkodex in diesem Macho-Verein herrscht? Kerle, die herumficken, brüsten sich noch damit und werden als tolle Hechte angesehen, doch Frauen, die mehr als nur einen Liebhaber pro Jahr haben, sind automatisch Schlampen. Hättest du nicht wenigstens mal kurz Rücksprache mit mir halten können?! Daß ich die Nacht mit einem Verdächtigen verbracht habe, wird meiner Karriere ungefähr so förderlich sein wie ein nicht zu kaschierendes Alkoholproblem.«
    »Mann«, sagte ich, vielleicht ein bißchen weinerlich, »die haben mich echt unter Druck gesetzt! Mit Privatdetektiven springen die nicht gerade zimperlich um. Ich hatte nur die Wahl, entweder deinen Namen zu nennen oder auf direktem Weg ab in die Zelle zu wandern. Was sollte ich tun?«
    »Ja«, echote sie mit einiger Bitterkeit in der Stimme, »was solltest du tun? Kristof«, sagte sie dann und es klang plötzlich zischend, bedrohlich, »ich möchte, daß du eines begreifst: Sollte ich jemals dahinterkommen, daß du mich nur benutzt hast, dann, und das schwöre ich dir, dann mach ich dir das Leben zur Hölle!«
    »Hee«, säuselte ich beschwichtigend, »ich weiß gar nicht, wie du darauf kommst: Schließlich ist es doch deine Idee gewesen .« Doch sie hatte schon eingehängt.
    Hu! Hier hatten wir, wie es aussah, eine weitere, vielversprechende Liebesgeschichte, die schon in den Startlöchern zu verrecken drohte. Vielleicht sollte ich rasch ein paar zarte Zeilen aufsetzen? Ein paar Blumen dranbinden? Beides zusammen persönlich überbringen und ein wenig auf den Knien herumrutschen? Vielleicht.
    »Warten die auf dich, da draußen?« fragte Bernhard mit kaum verhohlenem Ärger, als ich bei ihm klopfte. Ich drückte mich an seinem brummigen Gesicht vorbei, stellte mich hinter einen Vorhang und spähte auf die Straße hinaus. Ein Opel Astra, viertürig, dunkelrot, parkte unauffällig vor dem Haus, und zwar so, daß die beiden Insassen unauffällig das Kommen und Gehen in der >Endstation< im Auge behalten konnten. Da die Kneipe das einzige Gebäude an dieser Straßenecke ist und um diese Uhrzeit noch geschlossen hatte, bildete der Opel somit das einzige parkende Auto weit und breit, abgesehen von Bernhards Kombi und meinem Schmuckstück. Soviel zu >unauffällig<.
    »Ist natürlich toll fürs Geschäft, die Bullen direkt vor der Türe sitzen zu haben.«
    Ich versprach, sie ihm im Laufe des Abends irgendwie vom Hals zu schaffen. Und wenn ich mit ihnen spazierenfuhr. Doch erstmal mußte ich ungesehen aus dem Haus.
    »Ich muß runter«, sagte Bernhard. »Die Luke aufmachen. Der Cola-Lieferant müßte jeden Augenblick hier sein.«
    »Ich komm mit«, sagte ich. »Ich hol nur noch eben meine Jacke.«
    »Er schläft«, sagte Patsy mit Gefühl, schloß leise die Türe hinter mir und trollte sich auf Zehenspitzen in die Küche. (Die Schürze stand ihr gar nicht mal schlecht.) Junge Mütter sagen das so, halb seufzend: »Er schläft.« Wärme, Stolz und ein wenig Erleichterung schwingen dann mit in diesen beiden Silben. Bei Patsy schwang sogar noch ein bißchen mehr mit: >Wage es, ihn zu stören, und du lernst mich kennen!< Ja, ehrlich. Sie sprach es nicht aus, aber es schwang mit, unmißverständlich.
    So geht es mir dauernd: Da nehme ich im Grunde unbegreifliche Mühen und Risiken auf mich, einzig und allein zu dem Zweck, mich mit diesem Typen in aller dringend notwendigen Länge und Breite unterhalten zu können, und dann komm ich da hin, und der Kerl liegt auf dem Sofa und ratzt, schön gemütlich eingemuckelt unter einer Wolldecke und bewacht von dem menschlichen Äquivalent zu einer Bärenmutter mit Zahnweh.
    »Er pennt schon den ganzen Tag«, meinte Scuzzi.
    »Zwischen den Mahlzeiten, zumindest. Und ich brauche hier nur mal

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