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Priester des Blutes

Priester des Blutes

Titel: Priester des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Clegg
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dennoch einladende Hüften - die Hüften der Muttergöttin, derjenigen, die Männer dazu verlockt, dort zu verweilen und neues Leben hervorzubringen, bevor dieses dann wieder zerstört wird. Um ihre Füße, an denen sie Sandalen trug, schlangen sich bis hoch zu ihren Schenkeln zwei Schlangen mit den Gesichtern ihrer anderen Erscheinungsformen, Datbathani und Medhya, wie Kiya hervorhob. Sie wusste, wie die dreifache Göttin angebetet worden war. Medhya, die unsterbliche Mutter, Datbathani, die Königin der Schlangen, und Lemesharra selbst, die die Sterblichen
aus dem Leben in den Tod und aus dem Tod wieder in das Leben holte. Geschriebene Worte, die den Abdrücken von Vogelkrallen glichen, schmückten ihre ausgestreckten Hände ebenso wie Bilder von Tieren und Menschen. In Einer ihrer Hände schlief ein kleines Kind; in der anderen trug sie ein kurzes, gebogenes Messer, das bei nahe wie eine Sichel aussah, aber eine gezackte Schneide besaß.
    Wir liefen unter ihrer riesigen Gestalt hindurch. Ich blickte nach oben und sah die hoch über mir aufragende Frau an, die den dritten Aspekt des legendären Ursprunges unserer Rasse verkörperte. Ich verehrte Steinstatuen zwar nicht, gleichgültig, wie groß sie waren, und ich glaubte auch nicht, dass sich Medhya, Lemesharra oder Datbathani in irgendeiner ihrer Erscheinungsformen hier befanden. Doch ein Teil von mir wollte glauben, dass ein einzelnes Bewusstsein, eine einzigartige Mutter, unsere Art erschaffen hatte, eine Blutlinie, die von Mund zu Mund und durch den Atem weitergegeben wurde und den ganzen Weg hierher, zu der Quelle unserer Abstammung, zurückverfolgt werden konnte.
    Dieselbe Mutter, die uns Qualen und Pein wünschte.
    Dieselbe Mutter, die in meinen Träumen zu mir kam und von ewigem Leiden flüsterte.
     
    Wir eilten weiter, in den Tempel hinein, der zuerst ein langer Gang aus gelbem Stein war und im folgenden Teil dann Katakomben ähnelte, doch ohne die Gebeine von Toten. Am Ende eines Gangabschnittes fanden wir einen in der Mitte gelegenen, mit einer Kuppel versehenen Raum.
    Wunderschöne junge Männer und Frauen standen in einem Halbkreis vor uns.
     
    Ich ging über den rutschigen Marmorboden auf sie zu.
    Sie waren auf die Kunst eines Ausstopfers zurückzuführen. Irgendein
Wahnsinniger hatte diese ausgestopften Wesen erschaffen. Sie wirkten wie Statuen, an Ort und Stelle erstarrt. Ich berührte einen der Jünglinge, und sein Gesicht zerbröckelte in meiner Hand, wie uraltes Gewebe, das zu Staub zerfiel. Als ich dann meine Hand gegen seine bloße Schulter drückte, fiel sein Arm herab und zerbrach auf dem Boden in tausend Stücke.
    Wir gingen von Kammer zu Kammer. Weitere dieser widerwärtigen Statuen, die von irgendeiner unvorstellbaren Jagd stammten, schmückten jede von ihnen. In einer Kammer arbeitete eine Frau an einer Stickerei, während ein kleines Mädchen und ein kleiner Junge zu ihren Füßen saßen. Ein Gelehrter deklamierte etwas, was ein Schreiber zugleich auf eine Schriftrolle schrieb; zwei Jünglinge mit einem Lederschutz über ihren Schultern und dunklen Schwertern in der Hand waren mitten im Kampf erstarrt; ein Mann und eine Frau paarten sich; ein Jüngling tanzte mit seiner älteren Gebieterin; ein anderer hielt eine kleine Handaxt gegen die Kehle eines weiteren, um etwas zu bekommen, das ein Beutel mit Münzen zu sein schien; in einer der nächsten Kammern posierte ein nackter Diskuswerfer für einen Bildhauer, der seine Meißelwerkzeuge gegen einen riesigen Felsblock hielt. Die anschaulichen Darstellungen jeder Kammer hatten eine einzigartige Wirkung.
    Sie waren dazu gedacht, uns zu quälen.
    Uns an unser sterbliches Leben zu erinnern.
    Ich blickte zu Kiya, um zu sehen, ob ihr vampyrisches Naturell etwaige Gedanken dieser Art getilgt hatte. Ich erwartete, dass sie über jede Figur lachte, in ihren Augen lag jedoch der Ausdruck tiefer Besorgnis. Diese Menschen waren nicht unsere Beute, und irgendetwas an ihrer Erscheinung führte dazu, dass ich mich fragte, warum ich ein solches Mitgefühl mit ihnen empfand. Warum war dies so, wenn ich doch auf der anderen Seite einem Jüngling oder einer Jungfrau so leicht das Leben nehmen und sie so vollständig austrinken konnte, dass sie nur noch ein leerer Kokon
aus Fleisch waren? Warum empfand ich dann irgendein Gefühl für diese Menschen, die bereits vor Jahrhunderten getötet, geleert, ausgestopft und in bestimmte Haltungen gebracht worden waren?
    Kiya sagte es als Erste. »Es sind unsere

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