Priester des Blutes
Gefahr.
Kiya packte ihn an den Schultern und zog ihn zurück, aber er drehte sich um und sagte: »Sie ist gut. Das Blut ist gut.«
Schwarzrotes Blut troff von Ewens Gesicht.
Ein Bild tauchte vor meinem geistigen Auge auf, das gleichzeitig widernatürlich und wundervoll war.
Wir befanden uns in einem Weinkeller. Hier bewahrte der Mann seine beste Weinernte auf.
Oder jemand hielt diesen Vorrat für ihn. Irgendein Diener, der ihn nicht seinem Schicksal und Grab überlassen hatte.
Denn dies war wohl der Ruheplatz, der dem Priester des Blutes gehörte.
Das Netzwerk aus miteinander verbundenen Glasröhren wand und schlang sich von Körper zu Körper, indem es an der Kehle, den Beinen oder unmittelbar im Bereich des Herzens in der Arterie stak. Die Röhren vereinigten sich alle miteinander, ihr Inhalt tropfte in ein großes, kugelförmiges Schröpfglas von der Art, wie ich sie die Wundärzte hatte zum Erhitzen verwenden sehen, wenn sie alte Frauen von Gebrechen des Leibes heilten. Das Blut quoll dort hervor, und es war nicht mehr, als ein Weinschlauch fassen konnte. Aus diesem Gefäß führte eine einzelne Röhre hinab in das Kristallgrab des Priesters.
Dadurch wurde die Dunkelheit hervorgerufen.
Es war mit Blut gefüllt. Und er schlief darin, dieser Priesterkönig.
Das Blut hielt ihn am Leben, aber dennoch war er begraben.
Wer hatte diesen Höllenschlund erschaffen? War es die Göttin Lemesharra selbst gewesen? Oder ging es auf ihre Erscheinungsformen Datbathani und Medhya zurück, die monströsen heidnischen Göttinnen der Fruchtbarkeit und Zerstörung?
Doch Warum sollte ein Vampyr dies tun? Warum eine Gottheit?
All dies stammte aus sterblicher Hand. Es musste sich so verhalten. Nur ein Mensch konnte teuflisch genug sein, um diese Spiele zu erschaffen. Nur ein Mensch würde Vampyre zum Zeitvertreib abschlachten, um aus ihnen Statuen herzustellen. Oder sie mit dem Kopf nach unten aufhängen und das Wort Maz-Sherah in ihre Schädel ritzen, um uns abzuschrecken.
Denn dies musste der Grund sein, warum dieses Schauspiel inszeniert worden war: Um uns fernzuhalten oder uns zu bremsen. Um mit uns zu spielen.
Nur ein Mensch würde seine Geschwister gefangen nehmen - wie diejenigen, die um mich herum an der Wand hingen - und sie in ein winterliches Lagerhaus bringen, um einem Vampyr Nahrung zu verschaffen, der mehr Macht besaß als alle an deren. Kein Vampyr würde dies tun, denn dadurch würde jede Jagd überflüssig werden. Einzig der Mensch quälte andere Menschen über lange Zeiträume.
Aber das Blut war dann nicht so ergiebig, nicht wahr? Diese Körper hingen hier bereits seit vielen Jahren. Sie wurden wie Tierfleisch in einer eisigen Umgebung gerade so weit am Leben gehalten, dass sich ihr träge fließendes Blut in einer ausreichenden Menge selbst erzeugte. Ihre Leiber waren so kühl, dass der Vorgang des Sterbens hinausgezögert wurde. Die Röhren zwischen ihnen ver liefen so, dass sie auf die elementarste Art, die Menschen möglich war, gleichfalls gegenseitig von ihrem Blute leben konnten. Doch ein solcher lebender Tod konnte nicht lange an dauern. Wer auch immer dies getan hatte, er musste die Anzahl dieser Leiber alle paar Jahre wieder ergänzen oder riskieren, dass das Blut irgendwann nicht mehr strömte. Das der Sterblichen war nicht in unendlichen Mengen vorhanden. Das Herz würde schließlich aufhören zu schlagen. Der Fluss würde dickflüssiger werden.
Irgendjemand, ein Alchimist von der Erde, hielt diese hoch entwickelte
Kammer in Gang. Ein Mensch. Oder war es eine menschliche Organisation? Irgendeine Art von Zirkel? hatte jemand - ein einzelner Mensch oder viele Menschen - uns beobachtet, uns studiert, während wir geschlafen hatten? Vielleicht war uns sogar etwas genommen worden? Welcher Teufel herrschte in dieser Unterwelt? Derjenige in dem Grabe konnte es nicht sein, denn er war nicht imstande, sich daraus zu erheben. Tatsächlich waren wir hier, um ihn zu retten. Und doch, warum sollte irgendjemand, der dort existierte, uns in der Nacht wieder erwachen lassen? Warum sollte irgendein Sterblicher es uns gestatten, die Tagesstunden zu überleben?
Kiya näherte sich mir, während ich alle Einzelheiten der Kammer betrachtete und mir Fragen über ihre Herkunft stellte. »Derjenige, der uns beobachtet«, bemerkte ich, »ist ein Mensch. Oder vielleicht eine ganze Gruppe von Sterblichen. Ich nehme an, dass es sich hier um Magie handelt, aber es sieht aus wie eine Reihe von knöchernen Rädern,
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