Priester des Blutes
dachte an die Worte meines Großvaters: über das Gute und das Schlechte in allen Dingen, in allen Menschen.
Doch als ich dort stand, als junger Mann, kannte ich nur das Schlechte. Ich sah nur das Schlechte in dem Volk, das dem Schauspiel der Verbrennung meiner Mutter zusah.
In derselben Nacht verschlimmerte sich die Krankheit der Baronin - und sie starb. Dies wurde erst im Morgengrauen entdeckt, da die Familie des Barons nicht in ihre Unterkünfte zurückgekehrt war, bevor die Sonne aufging. Obwohl ich dies nicht mit eigenen Augen sah, wurde am Hof er zählt, in ihren Händen hätte sie den Käfig für den kleinen Vogel namens Luner gehalten. Er stand offen, und bevor sie starb, hatte sie den Vogel freigelassen. Ihre Dienerin erzählte anderen, dass der Vogel zuerst in die Dachsparren geflogen wäre und schließlich zum Fenster hinaus, in das purpurfarbene Morgenlicht, genau in dem Augenblick, als die Baronin ihre letzten Worte gehaucht hatte: »Ich bin frei.«
Wie ich später erfuhr, wirkten sich noch andere äußere Umstände auf mich aus, bald nachdem meine Mutter vor dem Baron und seinem Hofstaat sowie vor dem ganzen Dorf und den Schwestern der Magdalenenhöhlen ebenso wie vor der Abtei und ihren Mönchen verbrannt worden war.
Eine Verschwörung schien im Gange zu sein, die meine eigene Existenz betraf, wenngleich ich in jenem Augenblick nicht wissen konnte, wessen Hand die erste Geste ausgeführt hatte, die zu
meinem Niedergang führen sollte. Gewiss spielte mein Ausbruch bei der Exekution meiner Mutter eine Rolle. Ich wurde als nicht vertrauenswürdig angesehen, und man ver mutete, ich wäre mit ihr im Bunde, auch wenn es andere Menschen gab, die von meinem Liebesbeweis in den letzten Augenblicken ihres Lebens gerührt waren. Auch hörte ich Gewisper über meinen Großvater. In irgendeinem Krieg, der vor langer Zeit stattgefunden hatte, war er ein bedeutender Soldat gewesen, doch andererseits hatte er zum Waldvolk gehört und nicht zur Kirche. Noch andere Kräfte waren am Werke. Corentin war daran beteiligt, so wie auch mein Herr, sein Vater, der frühere Liebhaber meiner Mutter, Kenan, und vielleicht sogar der Baron selbst. Denn die kleine Halskette mit dem Anhänger, die Alienoras Verlobtem gehört und die sie mir gegeben hatte, war am Hofe als gestohlen gemeldet worden.
Ich wusste, es konnte nicht Alienora gewesen sein, die dies getan hatte, doch ich ver mutete, dass sie dem Priester des Ortes ihre Liebe zu mir gestanden hatte. Trotz der Heiligkeit der Beichte war dies wahrscheinlich dem Baron und seiner Frau zu Ohren gekommen, oder zumindest einem Menschen am Hofe, den eine besondere Freundschaft mit dem Priester oder einem der Brüder aus der Abtei verband. Offenbar war bekannt geworden, dass die Tochter eines Adligen unter dem Bildnis, das Unserer Lieben Frau, der Mutter Gottes, geweiht war, genommen worden war, unmittelbar vor den Augen der Heiligen und vielleicht sogar vor denen des Erlösers selbst. Die Lächerlichkeit von alledem scheint heute absurd, damals aber war dies eine Angelegenheit von höchstem Belang.
Darüber hinaus wurde ich ohne Zweifel als verdächtiger und verdorbener Zeitgenosse betrachtet, nachdem ich mich fast auf meine Mutter geworfen hatte, bevor sie starb. Immerhin herrschte kaum Verständnis dafür, dass ein frommer Sohn eine Mutter lieben konnte, die mit Dämonen ver kehrte, wenn er sich nicht
auch selbst in die Schar beim Hexensabbat am Lammas-Abend 4 einreihte.
Alles, was ich weiß, ist, dass meine Liebste, die mir ihren Körper und dem Allmächtigen ihre Seele hingegeben hatte, eines frühen Morgens zu mir kam und mir die Nachricht überbrachte, ich sollte das Schloss so schnell wie möglich verlassen. Ich bat sie, mit mir zu gehen, doch sie sagte, der Allmächtige hätte Pläne für ihr Leben. Sie würde dem Kloster beitreten und vor Weih nachten bei den Magdalenen die heiligen Weihen empfangen.
»Meine Liebe zu dir ist stark«, sagte sie. »In meinen Gebeten werde ich deine Sicherheit erbitten. Es heißt, wenn zwei Herzen, die sich zu einem verbunden haben, von dem Wasser aus der Quelle der heiligen Gwynned trinken, so werden sie niemals wahrhaft getrennt sein.«
Wir machten uns im Schutze der Dunkelheit gemeinsam auf den Weg dorthin. Sie hatte ihre Bediensteten und Wächter bestochen, und so wie ich sie am ersten Abend gesehen hatte, er klomm sie den Rücken eines Hengstes, als hätte sie dies seit ihrer Kindheit immer so getan. Es fiel mir schwer zu
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