Priester des Blutes
Brustkorb pochte, als wäre sie ein Raubvogel in mir, der nach der Freilassung strebte.
Etwas blitzte in meiner Seele auf wie die Funken, die entstehen, wenn Feuerstein auf Stein trifft. Weit aus holend schlug ich die Ungläubigen, die sich mir näherten, und nur der Selbsterhaltungstrieb hielt mich davon ab, in Verzweiflung zu verfallen.
Mein Schwert sang an jenem Tag in der Luft.
Es durchschnitt Leib für Leib, und mein Gesicht und auch mein Körper waren so blutbespritzt, als wäre ich in einem roten Meer getauft worden.
Ich neigte mich nach links und stieß das blutige Schwert in die Flanke des nächsten Mannes. Die Leute um mich herum nahm ich nur undeutlich wahr - Ewen und die anderen Soldaten, die mit Dolchen und großen Hiebwaffen auf den Feind einknüppelten; die Ritter auf Pferderücken, die Keulen, Schwerter, Lanzen und Schlächterbeile schwangen; die Bogenschützen, die die Nachhut bildeten und sich gegenseitig Dinge zuriefen, während sich ein weiterer Schwall von Bolzen aus ihren Bogen ergoss.
Dann spürte ich, wie von hinten ein Messer in mein Fleisch schnitt, genau unterhalb meines Schulterblattes. Ich fuhr herum, vergaß den Schmerz und hieb mein Schwert in die Schulter eines weiteren gesichtslosen Ungläubigen.
DIE HÖRNER
Dann war es vorbei. Eine ganze Stunde oder länger herrschte am Ende dieses Tages der großen Angriffe eine schreckliche Stille auf dem Schlachtfeld. Die Rauchschwaden versperrten uns die Sicht auf jeden Anblick der Eroberung oder des Sieges. Das einzige Geräusch hätte das Pfeifen des Windes sein können, doch an jenem Tag war die Luft still, und einzig gelbbrauner Rauch stieg auf, als trüge er Seelen in den Himmel.
»Aleric! Falkner!« Das war Ewens Stimme, die die Stille durchbrach. Ich blickte auf, und Ewen hob seine Axt in einer Geste des Triumphes hoch in die Luft. Sein Gesicht war mit dem Blut der Feinde bedeckt, und seine Kopfhaut schien ebenfalls dunkel und
nass. Er hatte eine Schnittwunde an der linken Schulter und hinkte, aber es war zu sehen, dass er sich geradezu in Hochstimmung befand. Im Krieg war er zu einem Mann gereift, und ich konnte an ihm das Zeichen des Todes so sicher erkennen, als wenn der Todesengel selbst hinter ihm stünde. Seine Glückseligkeit am Ende eines schrecklichen Tages hätte mein Herz eigentlich mit Freude erfüllen sollen, aber es bedeutete mir nichts.
Wir alle würden dort sterben.
Wir alle würden sehr bald zu Staub und Asche zerfallen.
Wie mein Bruder.
Die Welt nahm Menschen von uns. Sie nahm und nahm, und der einzige Weg, glücklich zu leben, war der, zum Himmel zu beten und diese Welt aufzugeben. Für mich gab es keine Gebete - und auch keinen Himmel.
Ich wandte mich von ihm ab und ließ mein Schwert in den Dreck fallen. Den Schmutz von meinem Kittel streifend, stand ich auf. Ich spürte einen Juckreiz, wegen der Läuse, die unter uns sehr verbreitet waren. Das Blut auf meiner Haut und auf meiner Kleidung bildeten zusammen mit Schlamm und Schweiß eine Kruste auf meinem Körper, und Fliegen umschwärmten nun das Schlachtfeld - und darin auch mich. Über uns kreisten Geier vor dem rauchgeschwärzten Himmel. Das ganze Leben war schmarotzerhaft. Alles nährte sich von allem. Ich blickte durch die Menge der Männer hindurch und dann hinauf zum Himmel, als hielte dieser Antworten bereit.
Die Hitze der Sonne brannte auf mich herab. Wir hatten bereits seit Stunden gekämpft, doch noch brach die Nacht nicht herein.
Einer unserer Befehlshaber ritt mit hoch erhobenem Schwert inmitten der Menge der Sieger. Die Flanke seines Pferdes war vom Lebenssaft gefallener Ungläubiger blutig. Sein Brustharnisch wies Dellen auf, wo die Speerstöße und Schwerthiebe des Feindes gescheitert
waren. Dieser bedeutende Ritter trug den Helm noch auf dem Kopf und hielt beide Hände in die Höhe.
In der einen trug er sein Schwert.
In der anderen hielt er das so eben abgetrennte Haupt des feindlichen Anführers.
Er warf den Kopf auf einen Haufen von Leichnamen und brüllte, so dass es alle hören und darüber reden konnten: »Die Christenheit hat die Legionen der Hölle besiegt!«
Ich spürte einen Stich unterhalb des Herzens - er stammte nicht von einem Feind, sondern aus meinem Inneren. Vor Schwäche fiel ich auf die Knie. Der Schmutz an meinen Fingern fühlte sich wie die Decke meines eigenen Grabes an. Die Erinnerung an das Gesicht meines Bruders verblasste, als wäre sie so unstofflich wie Rauch. Auch das Antlitz meiner Mutter schien eine
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