Princess Band 47
Gefallen tun, wenn Sie mir bei meiner Korrespondenz helfen und mir ab und an einige englische Artikel vorlesen könnten. Die Bitte fällt mir nicht leicht. Ich weiß ja, daß ihr jungen Leute immerzu beschäftigt seid. Aber meine Sekretärin mußte mich leider verlassen, weil ihr Mann nach Paris versetzt worden ist, und in Chandelle einen Ersatz zu finden, ist nicht einfach. Ich würde auch gern einmal wieder meine Lieblingsgedichte hören. Sie haben eine so schöne Stimme, Rose."
"Mit dem größten Vergnügen", lachte diese, und schon waren sie in ein Gespräch über englische Lyrik vertieft.
Yvette brachte den Kaffee, goß zwei Tassen ein und stellte die Kaffeekanne auf die Wärmeplatte. Es fiel Rose auf, daß noch eine dritte Tasse auf dem Tablett stand, und kurz darauf kam Philippe herein.
Miss Grantchester wußte sofort, daß er es war. "Du bist zurück, Philippe", sagte sie erfreut. "Du kommst gerade recht zu einer Tasse Kaffee."
"Da habe ich ja Glück", meinte er. "Haben die beiden Damen einen schönen Abend verbracht?"
"Ich habe mich blendend unterhalten", sagte Miss Grantchester, "und es ist mir gelungen, Rose zu überreden, mich öfter zu besuchen und mir vorzulesen."
"Ausgezeichnet!" rief Philippe. "Das ist sehr nett von Ihnen, Rose." Er unterhielt sich eine Weile mit ihr, bis Rose sich entschuldigte.
"Ich habe Kerry versprochen, zu Jacques' Eltern nachzukommen", erklärte sie mit leisem Bedauern. "Kerry war schrecklich nervös, bevor sie ging."
"Schade, daß Sie schon fort müssen", sagte Miss Grantchester. Rose erhob sich, reichte ihrer Gastgeberin die Hand und bedankte sich herzlich für den schönen Abend. Philippe war ebenfalls aufgestanden.
"Philippe wird Sie begleiten, Rose", sagte seine Großtante.
"Das ist nicht nötig, Miss Grantchester." Rose war verlegen geworden. "Ich kenne den Weg und..."
"Keine Widerrede. Es ist schon dunkel, Kind, und ich möchte nicht, daß Sie allein herumspazieren. Philippe geht mit. Ich weiß, was sich schickt. Nun geht schon!"
Rose blieb nichts anderes übrig, als Philippes Begleitung zu dulden, wenn sie seine Tante nicht kränken wollte. Sie folgte ihm zur Haustür, und sie traten in die milde Sommer nacht hinaus.
"Meine Tante hat Sie offenbar gern", sagte er.
"Sie ist sehr charmant und liebenswürdig. Wie traurig, daß sie ihr Augenlicht verloren hat. Kann man denn nichts mehr dagegen tun?"
"Sie könnte sich operieren lassen und dadurch viel eicht einen Teil ihrer Sehkraft zurückerlangen. Aber die Chancen stehen fünfzig zu fünfzig. Bis jetzt wollte sie das Risiko nicht auf sich nehmen. Sie kann noch immer hell und dunkel unterscheiden und sagt, daß sie mit ihrem Leben zufrieden ist und das Schicksal nicht herausfordern möchte."
"Eine sehr kluge Einstellung."
"Hinter der sie auch steht. Sie ist für alles dankbar, was sie noch tun kann und hadert nicht mit ihrem Schicksal. Sie liest Blindenschrift, hört Radio und hat einen Garten voll duftender Blumen und aromatischer Kräuter. Aber was am wichtigsten ist: Sie kümmert sich immer noch um das Geschäft und deckt uns alle ganz schön mit Arbeit ein."
Rose entsann sich ihres Gesprächs mit Kerry. Miss Grantchester besaß offenbar die Hauptanteile am Familienunternehmen, aber Philippe schien diese Tatsache nicht viel auszumachen. Man merkte ihm jedenfalls nicht das geringste an.
Dort, wo der Weg vom Schloß auf die Hauptstraße von Chandelle traf, lag das Haus von Jacques' Eltern. Rose klopfte an die Tür und erwartete, daß Philippe sich nun verabschieden würde. Aber er blieb neben ihr stehen, und als Jacques öffnete, ging er mit ihr hinein.
Im Salon saß Kerry steif auf dem Sofa und sah aus, als ob sie gleich in Tränen ausbrechen würde. Auch Jacques' Mutter, eine lebhafte kleine Frau in mittleren Jahren, hatte verdächtig rote Augen. Sein Vater, ein untersetzter Mann mit einem Doppelkinn, schaute düster und verärgert drein. Rose hatte den Eindruck, daß sie mitten in eine häßliche Szene hereingeplatzt waren.
Jacques machte Rose mit seinen Eltern bekannt, und als sie seiner Mutter die Hand gab, zeigte sich Philippe in der Tür.
Madame und Monsieur Vieillant begrüßten ihn überrascht, aber mit sichtlicher Freude und einer gewissen Unterwürfigkeit.
Philippe ließ sich nicht anmerken, ob er die gespannte Atmosphäre spürte. Er wechselte ein paar liebenswürdige Worte mit Jacques' Eltern. Dann ging er zu Kerry und hob ihre Hand an seine Lippen.
"Rose erzählte mir, daß
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