Pringle in Trouble
unwillig wandte er sich um, er war schon spät dran. Es war die
Polizeibeamtin. «Ging schnell, was?» sagte sie und glühte vor Stolz.
«Der Name? Sie meinen, Sie haben den
Namen schon?»
«Tja...» Sie strahlte ihn an. «Manche
Leute würden für so etwas eine Woche brauchen. Aber ich habe eine Freundin in
Swansea, die ist bei IBM ausgebildet worden.» Mr. Pringle versuchte,
beeindruckt auszusehen.
«Welchen Namen haben Sie eigentlich
erwartet?» Sie war noch jung genug, um derlei Spiele zu genießen. Außerdem war
sie sehr hübsch. Mr. Pringle mochte sie nicht enttäuschen. «Soll ich mal raten?
Ich glaube, es könnte ‹Millicent› sein.»
«Oh.» Sie sah ihn geknickt an. «Das tut
mir leid.» Sie hielt ihm seinen Zettel entgegen. Unter seiner Frage stand in
Blockbuchstaben der Name RITA.
«Aber...»
«Wir haben alles doppelt überprüft. Ich
habe meiner Freundin extra gesagt, daß es um eine Mordermittlung geht.»
«Das verstehe ich nicht», sagte Mr.
Pringle ratlos. «Ach herrje, so spät ist es schon? Ich muß schnell machen. Und
vielen Dank.. Wirklich vielen Dank für Ihre Mühe.» Noch immer verwirrt, eilte
er davon. Sie sah ihm etwas enttäuscht nach.
Wilfred und Mr. Pringle trafen beide
gleichzeitig am Empfang ein. Keiner von beiden sprach. Mr. Pringle war in
tiefes Nachdenken versunken: Die ganze Nacht über hatte er mit großer Geduld
einen Puzzlestein zum anderen gefügt, und nun hatte er ein Stück, das nicht
hineinpaßte. Als er in den Polizeiwagen stieg, warf er einen Blick auf Wilfred.
Ohne seinen weißen Masseurkittel sah er noch unauffälliger aus. Mr. Pringle
entschloß sich zu einem Schuß ins Dunkle.
«Ihre Schwester, die damals als Baby
adoptiert worden ist, sehen Sie die noch ab und zu?»
Wilfred starrte ihn an. «Warum
interessiert Sie das?»
«Nur so.»
Wilfred schwieg. Mit abgewandtem Blick
blickte er aus dem Wagenfenster und schien Mr. Pringle völlig zu ignorieren.
Nach ungefähr drei Kilometern bog der Wagen nach links ab und fuhr durch ein
backsteinernes Tor.
«Hieß sie — Rita?» fragte Pringle
vorsichtig. Wilfreds dunkle Augen waren ohne jeden Ausdruck. «Ja», sagte er
schließlich.
Die Pflegestation, ehemals ein
Armenhaus, war aufs geschmackloseste renoviert worden. In einem großen Raum
standen etwa fünfzig Betten. Sie waren durch glänzende Chintzvorhänge, die
einen scheußlichen Kontrast zu den grünen und gelblichweißen Bodenkacheln
bildeten, voneinander abgetrennt, und zwar so, daß rechts und links von jedem
Bett noch etwa sechzig Zentimeter Raum blieb. Beschränkt auf diese winzige
Fläche, hockten die alten Frauen wie Tiere in einer Menagerie und starrten
dumpf vor sich hin. Ab und zu allerdings begann eine von ihnen zu schreien, so
als versuche sie, sich ihrer eigenen Existenz inne zu werden. Inmitten dieser
dicht Gepackten, Ausgesonderten und Vergessenen wirkte das warme Lächeln der
westindischen Schwester wie eine Verheißung. «Hallo — Sie sind gekommen, um
Ihre Ma zu besuchen? Das ist gut. Sie wollte letzte Nacht nicht einschlafen,
weil sie noch auf Sie gewartet hat... Hier, sehen Sie mal, Mrs. Wilson, wer
gekommen ist? Machen Sie die Augen auf, Schätzchen, Besuch für Sie... Das freut
Sie, nicht? Na, wie wär’s, wenn wir ein bißchen lächeln würden? Und da haben
wir sogar noch einen zweiten Besucher. Das ist nach Ihrem Geschmack, was? Zwei
Besucher!» Mr. Pringle hatte eine große, hilflose Frau zu sehen erwartet, und
erblickte statt dessen ein mageres Weibchen mit Vogelkopf, deren Gesicht von
schweren, dunklen Zöpfen eingerahmt war. Sie hatte nicht ein einziges graues
Haar, doch ihre Haut war von Tausenden kleiner Fältchen durchzogen. Sehnsüchtig
starrte sie auf ihren Sohn, aber dieser stand stumm. Mr. Pringle begriff, daß
er störte. «Ich werde draußen warten», sagte er verlegen und ging hinaus. «Kann
ich hier irgendwo bleiben?» wandte er sich hilflos an die Schwester.
«Aber natürlich. Kommen Sie mit in mein
Büro. Ich lasse Ihnen eine Tasse Tee bringen.» Sie ging ihm mit energischem
Schritt voran, rief hier und da einer der alten Frauen ein freundliches Wort zu
und bedankte sich lächelnd, wenn sie eine Reaktion bekam. Mr. Pringle war tief
beeindruckt.
Ihr Büro hatte zur Station hin ein
großes Fenster. Auf ihre Anweisung hin brachte eine Lernschwester vier Tassen
Tee. «Zucker?»
«Ich habe meinen eigenen, danke.»
Ungeschickt angelte er sein Plastikröhrchen aus der Tasche. Die Schwester gab
in jede der drei
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