Prinzessin auf den zweiten Blick
sachlich und vertiefte sich demonstrativ in eine englischsprachige Zeitung.
Eleni kam gar nicht dazu, sich zu fürchten, weil sie darüber nachgrübelte, was seinen abrupten Stimmungswandel ausgelöst haben konnte. Irgendetwas, das sie gesagt hatte?
Doch als der Jet Bodenberührung bekam und dabei äußerst beunruhigende Geräusche von sich gab, war es mit der Grübelei vorbei, und sie klammerte sich nur noch haltsuchend fest. Diesmal aber nicht an Kaliqs Hand, sondern an den Lehnen ihres Sitzes.
Und als sie dem Scheich wenig später mit zitternden Knien die schwankende Gangway hinunter folgte und auf sein Geheiß in eine riesige schwarze Limousine stieg, presste sie die Lippen fest zusammen, um ihn nicht noch mehr zu reizen.
Stumm und mit klopfendem Herzen, betrachtete Eleni verzückt die üppige, saftig grüne Vegetation zu beiden Seiten der gewundenen Straßen, die zwischendurch von niedrigen Natursteinmauern gesäumt war. Alles wirkte so frisch und lebendig, dass sie ihre Bedrückung und Scheu völlig vergaß.
Was hatten ihre Lehrerinnen in der Schule noch gesagt? Das Leben sei da, um in seiner ganzen Fülle erfasst und ausgekostet zu werden. Und zum ersten Mal hatte Eleni das Gefühl, zu verstehen, was sie damit gemeint hatten.
„Gefällt dir, was du siehst?“, fragte Kaliq, der ihren leisen Seufzer gehört hatte.
Als sie ihm ihr Gesicht zuwandte, leuchtete es vor Freude und Aufregung. „Oh ja, Hoheit! Das tut es wirklich!“
Der Scheich räusperte sich. „Wir sind auf dem Weg zu meinem Haus in Surrey“, eröffnete er ihr mit belegter Stimme. „Ich dachte, du könntest London vielleicht ein wenig zu … überwältigend finden als erste Station. Außerdem ist der Weg zu dem Reitstall, den wir besuchen wollen, von hier aus viel kürzer.“
„Sie … Sie besitzen ein eigenes Haus in England?“
„Ja.“
„Und dort leben Sie, wenn Sie nicht in Calista sind?“
„Auf jeden Fall, wenn ich gerade in England bin und es mich nach dem Landleben gelüstet“, bestätigte der Prinz trocken. „Aber ich habe auch ein Penthouse in New York und Mailand, und eine Villa in Südfrankreich.“
„So viele Wohnsitze!“
Kaliq glaubte, mehr Irritation als Bewunderung in dem spontanen Ausruf zu vernehmen und runzelte die Stirn. Jedenfalls würde niemand seine kleine Eidechse als berechnende Harpyie bezeichnen können!
„Das Hotelleben ist nicht mein Fall“, lautete seine nüchterne Begründung. Als ob er einem Stallmädchen überhaupt Rechenschaft über sein Tun und Lassen schuldig wäre! „Außerdem treffe ich lieber meine eigenen Vorkehrungen, als mich auf externe Sicherheitsdienste zu verlassen.“
„Ich verstehe …“, sagte Eleni langsam und dachte an die Szene im Haus ihres Vaters zurück, als der Prinz sie veranlasst hatte, vor ihm das Getränk zu probieren, das sie ihm servierte. „Aber ich sehe gar keine Bodyguards, Hoheit.“
„Sie sind im Wagen vor uns und in einer anderen Limousine hinter uns. Allerdings sehr diskret, weil ich es nicht schätze, mehr als unbedingt notwendig in meiner Freiheit eingeschränkt zu sein. Und in manchen Situationen verzichte ich sogar völlig auf sie …“
Eleni schaute ihn fragend an. Angesichts ihrer offenen und völlig arglosen Miene räusperte sich Kaliq umständlich und sprach einfach weiter.
„Aber mein Anwesen in Surrey ist so gut bewacht, dass ich dort die größtmöglichen Freiheiten genieße. Und nun schau einfach nach vorn, wir sind nämlich gleich da.“
Nichts und niemand hätte Eleni auf diesen Anblick vorbereiten können. So prächtig und glänzend der Palast des Scheichs in Calista war, so überwältigend und gleichzeitig einladend wirkte sein englischer Wohnsitz, inmitten einer riesigen grünen Parkanlage.
Das imposante Herrenhaus, ein Ziegelbau in der Farbe der untergehenden Wüstensonne, schien aus einer Ebene von fast unwirklich anmutendem Grün emporzuwachsen. Eine ausladende Sandsteintreppe führte zu einer doppelflügligen Eingangstür aus massiver Eiche empor, die von zwei Säulen flankiert wurde.
Und wohin Eleni auch schaute, sah sie goldene Seen von Blumen.
„Es … es ist wunderschön hier, Hoheit“, flüsterte sie ergriffen.
Lächerlicherweise tat ihr hingerissener Kommentar ihm gut. Wahrscheinlich, weil er offensichtlich von Herzen kam, anstatt eine von ihm erwartete Floskel zu sein. Für einen Mann, der es gewohnt war, von allen Seiten, allein wegen seines Standes, umschmeichelt zu werden, ein erfrischendes
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