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Profit

Profit

Titel: Profit Kostenlos Bücher Online Lesen
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ungemütlich – zum Checkpoint hin war Farbe auf den meisten Hauswänden nur noch ein fleckiges Gerücht und das Vorhandensein von Glasscheiben in den Fenstern alles andere als zwingend. An etlichen Stellen flatterten Plastikbahnen im Wind.
    Die letzten drei Häuser auf beiden Straßenseiten waren abgerissen worden, um freie Fläche um den Kontrollpunkt herum zu schaffen. Trümmer und Schutt hatte man beseitigt, das Unkraut wurde regelmäßig weggespritzt. Die nächstgelegenen Gebäude auf der anderen Seite, etwa hundert Meter hinter der Absperrung, waren von Krawallbränden geschwärzt und in Auflösung begriffen. Hinter diesen Ruinen erhob sich ein schäbiger, zehnstöckiger Betonblock, dessen schmutzig-graue Fassade infolge schadhafter Regenrinnen lauter noch dunklere Wasserflecken aufwies. Chris konnte eine Person ausmachen, die ihn von einem der oberen Fenster aus beobachtete.
    Es war ein perfekter Sommerabend, noch ganz hell, obwohl es schon nach acht war. Die Hitze des Tages versickerte langsam, und das ganz ohne Zutun des Regens, der seit dem Nachmittag gedroht hatte. Junk-Salsa dröhnte aus Troys offenen Schiebefenstern, und als Bryant auf die Klingel drückte, schien die Tür vom mörderischen Druck eines Bassriffs aufgesprengt zu werden.
    »Mike! Schön, dich zu sehen, Mann.« Troy war in ein Jamaica-Testmatch-’47-Shirt gehüllt, auf dem Moses McKenzies Siegergesicht hinter einem holografisch aufgenommenen Cricketball hervorgrinste, der aus dem Stoff heraus direkt auf den Betrachter zuzuschießen schien. Im Kontrast dazu wirkte Troys Gesicht ungewöhnlich ernst. »He, Faulkner. Du bist gekommen. Das ist gut.«
    Chris murmelte etwas zurück, aber Troy hatte sich bereits wieder an Bryant gewandt.
    »Mike, hör zu. Ich muss nachher mal mit dir reden, Mann.«
    »Klar. Worum geht’s?«
    Troy schüttelte den Kopf. »Lieber nachher.«
    »Ganz wie du willst.« Bryant reckte den Hals, um in den Flur zu sehen. »Aussichten auf einen Joint?«
    »Yeah, irgendwo bestimmt. Dieses blonde TV-Gesicht, das dir gefällt, sie ist hier, hat sich schon einen gedreht.«
    »Alles klar.«
    Sie gingen durch den Flur, hinein ins Herz der Party.
    Chris war kein Partylöwe. Als ein Junge mit Verstand und komischem Akzent auf eine Zonenschule gekommen, war er Tag für Tag gehänselt und schikaniert und kaum einmal zu irgendwelchen Partys eingeladen worden. Später lernte er zu kämpfen. Noch später entwickelte er ein Äußeres, das vielen der cooleren Mädchen gefiel. Das Leben wurde einfacher, aber der Schaden ließ sich nicht mehr ganz beseitigen. In Gesellschaft anderer Leute blieb er zurückhaltend und auf der Hut, es fiel ihm schwer, locker zu sein, und noch schwerer, sich richtig zu amüsieren. Seine Unsicherheit kam als schwermütige Coolness rüber, die sich, von männlichen Altersgenossen ebenso wie von weiblichen Fans gutgeheißen, zum Habitus verfestigte. Als er sich seinen Weg in die Welt der Konzerne gebahnt hatte, verfügte er über eben jenes Verhaltensrepertoire, das zum langfristigen Überleben erforderlich war. Die heikel-nervösen Kollegenpartys und Firmenempfänge, mit ihrer unangenehmen Atmosphäre von Rivalität und exzessiver Selbstdarstellung, passten ihm wie angegossen. Er erschien, weil er es musste, schummelte sich mit großer Gewandtheit durch die notwendigen Rituale, ließ niemals die Deckung fallen und verabscheute jede Minute der Veranstaltung. Genau wie die Partys seiner Jugend.
    Dementsprechend war er doch ein wenig schockiert, als er einige Stunden später bemerkte, wie gut es ihm auf Troy Morris’ Fete gefiel.
    Er war, wie häufig auf Hauspartys, in der Küche gelandet, leicht beduselt von ein paar Tequilas und einer einzelnen Linie sehr guten Kokains, und diskutierte über südamerikanische Politik mit Troys Sohn James und einem spanischen Hochglanzmodel namens Patricia, das, wie sie festgestellt hatten – Wow, das ist nicht Ihr Ernst –, in derselben Ausgabe von GQ aufgetreten war wie Chris, wenn auch sehr viel leichter bekleidet. Nicht, dass sie, wie Chris nicht umhinkonnte zu bemerken, heute übertrieben viel Textil am Leib gehabt hätte. Es war ungefähr ein Dutzend dieser exotischen Geschöpfe auf der Party verteilt, wie sexy Models bei einer Automobilausstellung. Sie trieben elegant von einem Zimmer ins nächste, hin und wieder in die Umlaufbahn der teuer gekleideten Männer gezogen, mit denen sie offenbar gekommen waren, sprachen Englisch mit einer Vielfalt von faszinierenden

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