Projekt Wintermond
Stück weiter zurück, Mr McCaul. Und lächeln Sie fröhlich.«
Fröhlich lächeln? Wie konnte man am Rande eines tausend Meter tiefen Abgrunds fröhlich lächeln? McCaul spähte hinunter zum Furkapass und sagte nervös: »He, Mann, ich finde, ich stehe nahe genug am Abgrund.«
»Okay. Dann sehen Sie einfach nur in die Kamera. Bewegen Sie sich nicht.«
McCaul rührte sich nicht. Zum ersten Mal würde sein Foto in einer Zeitung erscheinen. Er hatte es seinem Väter heute Morgen am Telefon erzählt. Sein alter Herr war mächtig stolz auf ihn.
Hartz schoss noch ein paar Bilder, bevor er sich mit vorsichtigen Schritten zu dem jungen Amerikaner gesellte. »Okay. Das war’s. Ihre Informationen waren sehr hilfreich.«
»Was ist jetzt mit dem Honorar?«
Ehe Hartz ihm antwortete, warf er einen nachdenklichen Blick in den gähnenden Abgrund. »Ach ja, das Honorar . damit wird es leider nichts«, sagte er lächelnd.
McCaul schaute ihn verwirrt an. »Das… das verstehe ich nicht.«
»Das glaub ich gern. Es ist auch etwas schwierig zu erklären. Aber Sie müssen doch zugeben, dass es ziemlich dumm ist, sich mit einem wildfremden Menschen an diesem gottverlassenen Ort zu treffen, oder nicht?«
Plötzlich sprach Hartz akzentfreies Englisch. Und McCaul fiel noch etwas anderes auf: Der Blick des Reporters war eiskalt geworden. In diesem Augenblick begriff der junge Bergsteiger. »Sie… Sie sind gar kein Reporter, nicht wahr?«
»Nein, absolut nicht.«
McCaul wurde blass. »Verdammt, was geht hier ab?«
Hartz hob blitzschnell die Hand und versetzte McCaul einen leichten Stoß, worauf dieser das Gleichgewicht verlor. Er fiel rücklings aufs Eis und schlitterte auf den Abgrund zu. Sein Schrei hallte über die stille Berglandschaft, als er über den Rand rutschte und wie ein Stein in die Tiefe fiel. Seine Hände griffen ins Leere.
Hartz grinste. »Das war’s. Tut mir Leid.«
11
Es war kurz vor Mittag, als Jennifer vor Marks Haus hielt. Sein Wagen stand in der Einfahrt. Die junge Anwältin ging zur Eingangstür und klingelte. Mark öffnete ihr. Sein Haar war nass, und er hatte sich ein Handtuch um die Hüften geschlungen, als käme er geradewegs aus der Dusche. Er war ein wenig verlegen, freute sich aber, Jennifer zu sehen.
»Du bist früh dran. Komm rein.« Mark führte sie ins Wohnzimmer, in dem eine ziemliche Unordnung herrschte. Er schmunzelte, als er sah, wie Jennifers Blick über das Durcheinander seines Junggesellenhaushalts schweifte.
»Es sieht hier nicht immer so aus«, sagte er.
»Wer’s glaubt.«
»Manchmal ist es noch viel schlimmer.«
Jennifer lachte. »Das glaube ich dir unbesehen.«
»Möchtest du einen Kaffee?«
»Gern«, sagte sie. »Warum hast du mich eigentlich gebeten, zu dir zu kommen?«
»Was hältst du davon, wenn du uns Kaffee kochst, während ich mich anziehe? Dann können wir uns in aller Ruhe unterhalten.«
»Okay.«
Mark verließ das Wohnzimmer und stieg die Treppe zum ersten Stock hinauf. Er war ein gut aussehender Mann, muskulös und breitschultrig. Über seine gescheiterte Ehe wusste Jennifer nicht viel. Mark war nicht der Typ Mann, der gern über sein Privatleben sprach. Jennifer wusste nur, dass er nach der Scheidung wie ein Besessener gearbeitet hatte.
Nun hatte er sie um einen Besuch gebeten, weil er etwas mit ihr besprechen wollte.
Jennifer überlegte, was Mark auf dem Herzen haben könnte. Bevor sie in die Küche ging, sah sie sich im Wohnzimmer um. Die meisten Bücher in den Regalen hatten mit seinem Job zu tun. In einer Ecke stand eine Hifi-Anlage. Daneben lagen ein paar Stapel CDs und Kassetten, größtenteils klassische Musik und Opern. Jennifer musste an die Vorliebe seines alten Herrn für diese Musik denken.
In der Küche war es einigermaßen sauber. In der Spüle stand ein Stapel Teller. Ein Farnkraut auf der Fensterbank sah aus, als würde es soeben an Wassermangel zu Grunde gehen. Als Jennifer der Pflanze Wasser gegeben und den Kaffee gekocht hatte, kehrte Mark in einer Jeans, einem weißen Hemd und sportlichen Schuhen zurück.
»Komm, Jenny, lass uns ins Wohnzimmer gehen.«
Sie setzte sich auf die Couch. Mark nahm ihr gegenüber auf einem Sessel Platz. Jennifer trank einen Schluck Kaffee. »Ich bin froh, dass ich dich vor meiner Reise noch sehe. Ich wollte dich um einen Gefallen bitten.«
»Und welchen?«, fragte er erstaunt.
»Ich würde im Cauldwell-Pflegeheim gern deine Telefonnummer hinterlassen, falls irgendwas mit Bobby sein sollte. Ich nehme mein
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