Prosecco um Mitternacht
nicht fair wäre von mir, deinen Heiratsantrag anzunehmen.”
Fair. Das war mal ein Wort. Eines, das bei den jüngsten Ereignissen keine große Rolle gespielt hatte. War es fair gewesen, als er sich so unwiderstehlich zu Renae hingezogen gefühlt hatte, dass er mit ihr schlief, bevor die Beziehung zu Janet offiziell beendet war? War es fair gewesen, dass er Renae wiederum in dem Glauben gelassen hatte, es ginge ihm nur um Sex, obwohl er längst festgestellt hatte, dass er für sie viel mehr empfand?
Und war es fair, dass Janet sich heimlich zu jemand anderem hingezogen fühlte und dieser Anziehung in dem Moment nachgab, als sie und Will voneinander getrennt waren?
Er wollte ihr gerade erklären, dass sie beide gleichermaßen schuldig waren, als sie ihm in einer beinahe mütterlichen Geste die Hand tätschelte, sodass er fast zusammengezuckt wäre.
“Es tut mir leid, dass ich die Beziehung beende. Wahrscheinlich hätte ich gar nichts gesagt, aber leider kennst du den Betreffenden.”
Wie konnte er den Mann kennen, wenn sie mit ihm bei dem Seminar in L.A. eine Affäre gehabt hatte? Dann dämmerte es ihm. Der andere Mann war niemand anderes als der Assistenzarzt Evan Hadley. Fast hätte Will sich mit der Hand vor die Stirn geschlagen. Wie hatte ihm das entgehen können?
Nein, da brauchte er nicht lange zu grübeln. Er war so mit seinem eigenen wilden Treiben beschäftigt gewesen, dass er gar nicht auf die Idee gekommen war, jemand in seiner Umgebung könnte ebenso niederträchtig sein. Er begriff, dass ihm jegliche Anzeichen für eine Affäre völlig entgangen waren.
“Was wäre passiert, wenn ich mich dir neulich abends nicht verweigert hätte?”, fragte er. “Wenn ich dein großzügiges Angebot angenommen und mit dir geschlafen hätte?”
Janet verzog das Gesicht. “Ich habe keine Ahnung. Ich redete mir ein, dass ich noch rechtzeitig zur Vernunft gekommen wäre …”
Tja, selbst schuld, dachte er. Wieso war er auch so dumm gewesen, eine solche Frage zu stellen?
“Trotzdem muss ich daran denken, was für ein Chaos wir angerichtet hätten, wenn wir es getan hätten.”
Von ihrem Gesicht las er ein Gefühl ab, das ihm in den letzten zwei Wochen sehr vertraut geworden war. “Also, Janet, da ist noch etwas, das ich dir sagen muss …”
Er berichtete ihr, dass er nach ihrer Abreise die volle Absicht gehabt hatte, ihr treu zu bleiben. Dass sie bis zu diesem Punkt die Frau gewesen war, von der er geglaubt hatte, dass sie die Richtige sei. Er erzählte ihr von Renae und wie der One-Night-Stand sich auf die ganze Woche ausgedehnt hatte. Am Ende gestand er Janet, dass er sie nicht in dieses Restaurant ausgeführt hatte, um ihr einen Heiratsantrag zu machen, sondern um ihr die Wahrheit zu sagen.
Und während der ganzen Zeit, in der er erzählte, beobachtete er, wie ihr Gesicht roter und roter wurde.
Er beendete seine schäbige Geschichte und hoffte, dass sie Janet ein wenig die Schuldgefühle nahm.
Stattdessen nahm sie ihr Rotweinglas, schüttete ihm den Wein ins Gesicht, stand auf und marschierte hinaus.
Will konnte einfach nichts anderes tun, als ihr benommen hinterherzusehen.
17. KAPITEL
R enae kam zu spät zu der wahrscheinlich wichtigsten Lunch-Verabredung ihres Lebens. Sie öffnete die Tür des Grillrestaurants, in dem sie sich mit Ginger treffen wollte, und fühlte, wie ihr ein Schweißtropfen den Nacken hinunterrann. In letzter Zeit schien sie nicht mehr zur Ruhe zu kommen.
Zwei Stunden lang hatte sie gestern Abend vor ihrer verschlossenen Wohnungstür gestanden, ohne dass es etwas genützt hätte. Weder Tabitha noch Nina waren aufgetaucht. Wiederholte Anrufe auf Tabithas Handy und in der Wohnung waren ebenfalls erfolglos geblieben. Also hatte sie bei Lucky übernachtet, wo sie bis in die frühen Morgenstunden daran gearbeitet hatte, ihr Angebot für Ginger neu zu schreiben, da ihr ursprünglicher Text in ihrem Kleiderschrank in der verschlossenen Wohnung lag.
Ginger saß in einer der hinteren Tischnischen und telefonierte. Renae setzte sich ihr gegenüber und lächelte entschuldigend. Sie nahm eine Speisekarte und tat, als würde sie lesen, während sie verstohlen die Frau beobachtete, die in den letzten fünf Jahren für sie mehr eine Freundin als eine Chefin gewesen war.
Ginger Wasserman scherzte manchmal, ihre Mutter hätte ihr bei der Geburt den passenden Namen für eine Stripperin gegeben. Doch hatte sie sich als Teenager nicht auf einer Bühne wiedergefunden, sondern an einer
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