Psalms of Isaak 01. Sündenfall
der vorigen Nacht einen magifizierten Pionier getötet, als die Feinde auf den Hügelkamm durchgebrochen waren. Rudolfos Männer hatten einiges einstecken müssen, die Stellung jedoch gehalten. Er hatte drei seiner Zigeunerspäher – drei – in einer Nacht verloren.
Gregoric kam zu ihm und setzte sich. »General Rudolfo«, sagte er.
Rudolfo nickte. »Gregoric. Was denkst du?«
Gregoric schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
Der Vogel war vor zwei Stunden eingetroffen und hatte die Nachricht vom neuen Papst und dem Bannschrieb gebracht. Rudolfo hatte sofort eine Botschaft an das Haus Li Tam und die Siebte Waldresidenz gesandt. Gerade als er fertig geworden war, hatte sich der Hauptmann seiner Kundschafter mit weiteren schlechten Neuigkeiten genähert: »Wir haben die Botschaft erhalten, dass zwei weitere Brigaden von Fußsoldaten aus dem Delta nach Norden unterwegs sind. Und Pylos und Tyrn schicken Kontingente.«
Da hatte sich Rudolfo aus dem Lager gestohlen und war in den Wald gegangen, um nachzudenken. Natürlich hatte er bemerkt, dass Gregoric, der noch vom morgendlichen Wachgang magifiziert war, ihm in einigem Abstand gefolgt war. Und nachdem hinlänglich Zeit vergangen war, hatte sein Erster Hauptmann getan, was er immer tat, und war gekommen, um bei seinem Freund zu sitzen.
Rudolfo seufzte. »Ich denke, dass wir uns vielleicht zurückziehen und eine neue Vision finden müssen. Dieser neue Papst hat die Spielsteine auf dem Brett neu geordnet.«
»Jawohl«, sagte Gregoric. »Wir haben noch etwas Zeit. Ein paar Tage. Wir tun, was wir können, und anschließend zerstreuen wir die Armee.«
Rudolfo nickte. »Und ich werde an anderer Stelle gebraucht werden.«
Morgen würde Rudolfo mit seinem eigenen Halbtrupp von Spähern zum päpstlichen Sommerpalast reiten, um mit dem neuen Papst zu verhandeln. Hinter ihm würde seine Streunende Armee zu den heimatlichen Waldinseln zurückfallen, bis ihr General sie wieder in den Krieg rief.
Zum ersten Mal in dieser Woche fragte sich Rudolfo, ob er wirklich siegen würde.
Kapitel 11
Jin Li Tam
Die Hallen der Siebten Waldresidenz waren breit und lang, hatten Hartholzböden und Holztäfelung an den Wänden, waren mit dicken Seidenteppichen und gerahmten Porträts dekoriert. Während ihres kurzen Aufenthalts erkundete Jin Li Tam so viele Räume wie möglich und stieß dabei nur auf wenige versperrte Türen in dem großen dreistöckigen Gebäude. Die meisten Zimmer waren geräumig, auch die Unterkünfte der Diener, und konnten mit fließendem Wasser aufwarten, das in einem großen Metallofen erhitzt und von der Schwerkraft durch Kupferrohre befördert wurde – ein weiteres Geschenk der Androfranziner.
Am ersten Tag war sie durch einen Großteil der Residenz spaziert. Aber nun suchte sie das Stockwerk auf, das sie bisher gemieden hatte. Sie benutzte das breite, weitläufige Treppenhaus, das am ersten und zweiten Stock vorbei und direkt in den dritten führte.
Dort, am Ende eines kurzen, breiten Flures, fanden sich die Doppeltüren und die Fenster aus Buntglas, die zu den Räumlichkeiten der Familie führten.
Sie blickte sich in den Kinderzimmern um. Es gab deren viele, alle bis auf eines waren im Augenblick leer – das Zimmer eines kleinen Jungen, wie sie annahm, mitsamt den verstreuten Spielsachen und einem kleinen Silberschwert, das über dem Bett hing. Ein ausgerollter Turban lag über eine Stuhllehne drapiert, und ein kleiner Stiefel ragte sorglos unter dem Bett hervor.
Es war ordentlich geputzt, aber sie konnte erkennen, dass sich das Zimmer schon sehr lange in diesem Zustand befand.
Eine dunkle, nicht versperrte Tür führte zu Rudolfos Räumen – einer Zimmerflucht, die eine abgeschiedene Stube enthielt und durch ein großes Badezimmer mit weiteren Räumlichkeiten verbunden war. Das Bad war beeindruckend. Es roch nach frischem Lavendel, und in der Mitte befand sich eine große, runde Badewanne aus Marmor. Eine kunstvolle, goldene Düse war in die Decke eingesetzt, an der sich lange Kordeln mit goldenen Troddeln befanden, an denen die Badenden ziehen konnten, um heißen Regen niedergehen zu lassen.
Jin ging durch das Zimmer, ihre Hand strich über den Rand der Wanne. Der Marmor war kalt unter ihren Fingern.
Jenseits des Badezimmers wartete eine ähnliche Zimmerflucht, und die weicheren Farben verrieten ihr, dass sie eines nicht allzu fernen Tages, so es trotz des neuen päpstlichen Bannschriebs noch im Sinne ihres Vaters war, von ihren Gästezimmern
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