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Psychopath

Psychopath

Titel: Psychopath Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keith Ablow
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Krähenfüße um Naomis Augen glätteten sich nach und nach, dann verschwanden sie ganz. Während Jonahs Daumen ihren Kiefer massierten, löste sich auch dort die Verkrampfung. Naomi saß ganz still da, während seine Hände zu ihren Schultern wanderten, dann an ihren Seiten hinab und über ihren Bauch. Sie rührte sich auch nicht, als er vor ihr in die Hocke ging und seine Hände auf ihren Schenkeln ruhen ließ. Erst als er seine Hände auf ihre Knie legte, verkrampfte sie sich erneut. »Es wird alles gut werden«, flüsterte er. »All das böse Zeug verschwindet. Ich kann es fühlen.«
    Sie entspannte sich so, dass er seine Hände zwischen ihre Knie gleiten lassen und dann mit seinen Handflächen über die Innenseiten ihrer Schenkel streichen konnte. Erst als seine Handkanten nahe genug waren, um von beiden Seiten ihren Schoß einzurahmen – ohne sie dort zu berühren nahm er seine Hände weg. Er massierte ihre Waden, dann ihre Knöchel, zog ihr die Turnschuhe aus und knetete ihre Fußsohlen.
    Schließlich stand er wieder auf und legte seine Hände abermals auf ihren Kopf. »Mach deine Augen auf«, wies er sie an.
    Naomi gehorchte.
    Er kniete sich vor sie und blickte lang und tief in ihre tränenfeuchten grünblauen Augen. »Es ist weg«, erklärte er.
    »Bist du sicher?«
    »Ja.«
    Sie runzelte die Stirn, während sie die innere Landschaft ihrer Seele absuchte. »Ich glaube, das stimmt.« Sie nickte. »Es stimmt. Es ist weg.«
    Er setzte sich wieder in seinen Sessel und lächelte sie an.
    »Wo ist es hin?«, wollte sie wissen.
    »Zuerst in mich hinein«, sagte er. »Dann zu Gott.«
    »Muss ich beten, damit es nicht wieder zu uns zurückkommt?«
    »Ich denke, das ist eine sehr gute Idee.«
    »Dann werde ich es tun«, versprach sie. »Jeden Abend.«
    »Und ich werde es auch tun«, sagte Jonah. »Auf die Weise werden wir zusammen sein, wo immer du auch sein magst und wo immer ich auch sein mag.«
    »Für immer«, sagte sie.
     
     
     
     
     
     
     

TEIL ZWEI
     
    Zwei Wochen später
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     

1
     
    Kurz vor Mitternacht, 16. März 2004
    Route 45 North in Michigan
     
    Sein Gehirn glühte. Seine Fingerknöchel waren weiß. Aus der Stereoanlage des BMW drang weißes Rauschen. Er war mit besten Absichten in Canaan aufgebrochen, um die vierhundert Meilen nach Pennsylvania zu fahren, in der Pine Creek Gorge zu wandern, in kristallklaren Wassern zu baden, die frische Gebirgsluft zu atmen, sich zu reinigen. Doch nur drei Tage nachdem er wieder unterwegs war, litt er neue Todesqualen, sein Kopf hämmerte, sein Hals und sein Kiefer waren verkrampft, sein Herz und seine Lunge vermochten kaum, ihn mit Blut und Luft zu versorgen. Er hatte fünf Milligramm Haldol geschluckt, hatte sogar an der kostbaren roten Flüssigkeit in seiner Aktentasche genippt, doch nichts hatte die Flut des Bösen eindämmen können, die ihn zu verschlingen drohte.
    Jede Zelle seines Körpers schrie nach jenen, die er zurückgelassen hatte: nach Naomi McMorris, Mike Pansky, Tommy Magellan und fünfzehn anderen Patienten, die er im Canaan Memorial in sich aufgenommen hatte, und hunderten vor ihnen. Er sehnte sich danach, ihre Haut zu berühren, ihren Schmerz zu fühlen, sein Spiegelbild in ihren Augen zu sehen.
    Und er sehnte sich auch nach Michelle Jenkins. Sie hatte ihn an seinem letzten Abend in Canaan zum Essen eingeladen, und er hatte zugestimmt.
    »Wo geht’s von hier aus hin?«, hatte sie ihn im Restaurant gefragt.
    »Ich nehme mir vor meinem nächsten Einsatz ein paar Wochen frei«, sagte er, »und danach, wer weiß? Ich kann mir die Bundesstaaten praktisch aussuchen.«
    »Geheimnisvoll bis zum Letzten«, bemerkte sie lächelnd.
    Mit ihrem glänzenden, schwarzen Haar und ihren strahlend weißen Zähnen war Jenkins für Jonah nicht weniger schön als die anderen Frauen, mit denen er zusammen gewesen war. Er wollte sie. »Es tut mir Leid, dass wir keine Gelegenheit hatten, einander näher kennen zu lernen«, sagte er. »Ich weiß, ich halte Leute auf Abstand.« Er machte eine Kunstpause. »Besonders, wenn ich mich zu jemandem hingezogen fühle.« Er beobachtete ihr Gesicht, während sie dieses Geständnis hörte, diese Ode an das, was hätte sein können, und sah in ihren Augen jenes allgewaltige Gemisch aus Fürsorge und Sexualität aufflammen, das er in Frauen wachzurufen vermochte.
    »Warum verstecken Sie sich hinter so vielen Schutzwällen?«, fragte sie sanft.
    »Ich glaube nicht, dass ich selbst die volle

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