Psychopathen
Aufmerksamkeit zugrunde liegenden Mechanismen gilt, sehr beliebt ist, scheint einfach zu sein. Sag, was du auf dem Bild siehst, und ignoriere das inkongruente Wort. Gegen die Uhr. Und bei einer Serie aufeinanderfolgender Versuche.
Tatsächlich empfinden die meisten Menschen dies als ein bisschen schwierig. Die explizite Anweisung, den abgebildeten Gegenstand zu benennen, liegt im Widerstreit mit dem Drang, das unstimmige 68 Wort zu lesen – ein Stottern des Motors, das dazu führt, dass man zögert. Anhand dieses als Stroop-Interferenz bekannten Zögerns (nach J. R. Stroop, der 1935 das ursprüngliche Paradigma vorstellte) wird der Aufmerksamkeitsfokus gemessen. Je schneller man ist, desto schmaler ist die Fokusbreite des Aufmerksamkeitsscheinwerfers. Je langsamer man ist, desto breiter ist sie.
Falls an Newmans Theorie irgendetwas dran war und die Psychopathen tatsächlich an dieser Art von Informationsverarbeitungs-Defizit(oder -Talent) litten, von dem er sprach, dann brauchte man kein Genie zu sein, um herauszufinden, was passieren würde. Sie würden die Bilder schneller benennen können als Nicht-Psychopathen und sich uneingeschränkt auf diese bestimmte Aufgabe konzentrieren.
Die Ergebnisse der Studie hätten nicht eindeutiger ausfallen können. Immer wieder stellte Newman fest, dass die nicht-psychopathischen Probanden durch die unstimmigen Bild-Wort-Paarungen zu Fall gebracht wurden – d. h. länger brauchten, um die Bilder zu benennen –, die Psychopathen hingegen die Unstimmigkeiten kaum wahrnahmen und die Aufgabe mit Leichtigkeit meisterten.
Aber das ist noch nicht alles. Newman entdeckte noch etwas anderes, etwas, das Scott Lilienfeld und das psychopathische Spektrum in die Bredouille bringen könnte: eine Anomalie in den Daten, d. h. eine deutliche Veränderung der Reaktionsmuster, sobald eine kritische Schwelle erreicht ist. Solange sie sich an den unteren Hängen der PCL-R bewegen, bewältigen alle Probanden Aufgaben wie diese etwa gleich gut und sehen sich den gleichen Schwierigkeiten gegenüber. Doch sobald das klinische Basislager der Psychopathie, d. h. eine Punktzahl von 28–30 erreicht wird, ändert sich die Dynamik dramatisch. Probanden, die in diesen größeren Höhen zu Hause sind, finden die Sache leicht. Sie scheinen die offensichtlichen peripheren Hinweise, die für jeden anderen unübersehbar sind, einfach nicht zu verarbeiten.
Nicht, dass sie gegen diese Hinweise immun wären. Weit gefehlt! In einer anderen Studie konfrontierten Newman und seine Kollegen Psychopathen und Nicht-Psychopathen mit einer Serie von Buchstabenfolgen auf einem Computerbildschirm. 51 Einige der Buchstaben waren rot, andere grün. Wieder andere äußerst schmerzhaft: Den Probanden wurde gesagt, dass man ihnen im Anschluss an eine zufällige Folge roter Buchstaben einen Elektroschock verabreichen würde. Wie erwartet zeigten die Psychopathen wesentlich weniger Angst als die Nicht-Psychopathen,wenn ihre Aufmerksamkeit von der Aussicht auf den Elektroschock weggelenkt wurde (sie gebeten wurden zu sagen, ob es sich bei den gezeigten Buchstaben um Groß- oder Kleinbuchstaben handelte). Wurde die Aussicht auf den Elektroschock jedoch deutlich gemacht (d. h. die Probanden ausdrücklich gebeten, zu sagen, welche Farbe die gezeigten Buchstaben hatten: rot oder grün), kehrte der Trend sich um, so wie Newman und seine Kollegen es vorhergesagt hatten. Dieses Mal waren tatsächlich die Psychopathen nervöser.
»Die Leute glauben, [Psychopathen] seien einfach gefühllos und hätten keine Angst«, sagt Newman. »Aber so einfach ist die Sache nicht. Wenn das Hauptaugenmerk auf den Emotionen liegt, zeigen die psychopathischen Individuen eine normale [emotionale] Reaktion. Sind sie hingegen auf etwas anderes konzentriert, werden sie Gefühlen gegenüber völlig unempfänglich.«
Dass die Reaktionsmuster genau an dem Punkt der PCL-R, an dem die Dinge klinisch werden, auseinanderlaufen, macht das Geheimnis dessen, was Psychopathie genau ist – ob sie auf einem Kontinuum liegt oder eine separate psychische Störung ist –, plötzlich noch undurchdringlicher.
Geht es bei der Psychopathie nur um einen graduellen Unterschied? Oder bilden die schweren Jungs eine Klasse für sich?
Ein kleiner Schritt, ein gewaltiger Sprung
Die Antwort auf eine solche Frage sollte zwangsläufig schwarz oder weiß sein, wie man meinen könnte. Denn wenn die Psychopathie auf einem Kontinuum liegt, dann muss die Flugbahn von niedrig nach hoch,
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