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Pubertät – Loslassen und Haltgeben

Pubertät – Loslassen und Haltgeben

Titel: Pubertät – Loslassen und Haltgeben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Uwe Rogge
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Berufstätigkeit, alternative Aufgaben);
sich selbst und ihre Kinder in einer Unvollkommenheit annehmen und weder sich noch die Kinder ständig mit anderen vergleichen;
sie ihre eheliche Beziehung befriedigend erleben und ein ausgefülltes Leben jenseits der Elternschaft führen.
     
    Bedeutsam sind letztlich die Perspektiven, die sich nach der Ablösung von den Kindern auftun. Leider stellen sich diese Aussichtenfür viele Frauen angesichts der wirtschaftlichen Situation als problematisch dar. «Ich weiß nicht, ob ich einen Job bekomme», so Anita Becker, Mutter von zwei nicht mehr im Haus lebenden Kindern, die studieren. «Ich habe mich zwar umschulen lassen, aber bei der gegenwärtigen Situation auf dem Arbeitsmarkt wird es schwer werden. Da muss ich wohl nehmen, was kommt!» – «Mir geht es ähnlich», berichtet Regina Schreiber, «ich war zwar eine gute Chefsekretärin, aber ob ich jetzt noch alles packe? Ich hab da schon meine Probleme. Ich hab zwar einige Kurse besucht, aber ob das reicht? Als Mutter wusste ich, wo meine Stärken lagen. Aber im Beruf, da ist so vieles im Fluss.»
     
    Aus den Beratungsgesprächen mit Müttern weiß ich: Frauen, die durch den Ablöseprozess und den Auszug der Kinder zu einem neuen Lebensstil angeregt werden, sind sehr zufrieden. Ihnen gelingt es, die Beziehung zu ihren heranwachsenden Kindern umzugestalten. So wichtig es zweifellos ist, neue Rollen zu wählen, sich ein Spektrum von Aufgaben zu suchen, so schwierig stellt sich diese Veränderung für viele Frauen gegenwärtig dar. Denn die hohe Zahl an Arbeitslosen erschwert den beruflichen Wiedereinstieg, der ohnehin mit Angst verbunden ist, ob man den gestiegenen Anforderungen noch gerecht werden kann.
    So resignieren denn manche Mütter, scheuen vor Veränderungen zurück und behalten ihr bisheriges Lebenskonzept bei. Nicht selten klammern sie sich an ihre Kinder. Und weil sie von ihrer Mutterschaft nicht lassen können, lassen sie ihre pubertierenden Söhne und Töchter nicht los. Sie versäumen es, die Beziehung auf eine andere Basis zu stellen. Es bleibt bei einer Versorgungsbeziehung, die weder den Eltern noch den Heranwachsenden gerecht wird. Dabei würde eine distanzierte Intimität, eine Verbundenheit, die die Balance von Nähe und Distanz hält, der neuen Beziehung gerechter. Pubertierende leben Veränderungen vor – sie sind in Bewegung, machen sich auf den Weg.Dies können Eltern von ihren jugendlichen Kindern lernen: neue Wege beschreiten, Lebensführung und -stil verändern. Wenn Eltern wie Kinder – und als solche werden sie selbst nach dem Auszug noch betrachtet – sich auf den Weg, genauer: die unterschiedlichen Wege, machen, können sie sich wieder annähern. Eltern sollten dabei nicht vergessen: Auch der junge Erwachsene, der eigene Ziele verfolgt, braucht das Gefühl elterlicher Wärme und Nähe, die nicht besitzergreifend sind. Verbundensein und Ablösung schließen sich nicht aus, sie gehören zusammen. Aber aus der Elternschaft befreit zu sein heißt eben nicht, in den elterlichen Ruhestand einzutreten. Unterstützung und Beratung der «großen» Kinder sind lebenslange Aufgaben.
    Die Spannung aus Loslassen und Haltgeben ist keineswegs widerspruchsfrei. Es ist ein komplizierter Drahtseilakt: die Nabelschnur durchzuschneiden und trotzdem Halt zu geben. Das geht nicht ohne ein Auf und Ab der Gefühle.
    Barbara Neißer ist heute schon Großmutter. Sie erzählt ihre Geschichte. Ihr Sohn Niko, jetzt fast 30   Jahre, sei als Pubertierender ziemlich «schlimm gewesen. Meist soff er zu viel, baute dann Unfälle und Mist. Das war nicht zum Aushalten. Ich machte mir damals schon Gedanken, was das mit mir zu tun hat. Aber ich fand keine Antwort. Meistens passierte etwas, wenn ich mit meinem Mann im Urlaub war. Niko blieb dann zu Hause. Ich fuhr deshalb schon mit einem schlechten Gefühl los.» Sie holt tief Luft. «Jetzt klopft mein Herz noch, wenn ich an die Situation von damals denke. Als unser Sohn 19 war, machten wir eine Wanderung von Hütte zu Hütte. Da erreichte uns spätabends die Nachricht, dass Niko lebensgefährlich verunglückt sei. Seine Überlebenschancen stünden schlecht. Wir beide waren völlig geschockt. Ich war verzweifelt, wollte sofort zu ihm, aber das ging nicht. Es war ja nachts, wir kamen nur von der Hütte in ein Hotel im nächsten Tal. Als mein Mann selbst im Krankenhaus anrief, klangen die Informationen etwas beruhigender. Aber Niko war noch längstnicht über den Berg. Ich bin

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