Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Puna - Toedliche Spurensuche

Puna - Toedliche Spurensuche

Titel: Puna - Toedliche Spurensuche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Scholze
Vom Netzwerk:
auf den Gräbern. »Buenos dias«, murmelte Anja. Erstaunt blickte sie der Mann wortlos an. Der stellte die Schaufel auf den Boden, stützte sich darauf ab und blickte ihr hinterher. In der Nähe der Friedhofskapelle ein weiterer Mann. Er fegte langsam. Als er sie sah, nahm er den Besen in die Hand und folgte ihr. Langsam und mit Abstand. Anja verließ das Friedhofsareal und spürte hinter sich die Augen des Mannes, der ihr zwischen den Metallstreben des Tores nachschaute.
    Sie ging wieder zum Ausgangspunkt zurück. Dieses Mal schneller, zielstrebiger. Sie suchte den vereinbarten Treffpunkt. Warten. Der Plastiktüte nachschauen, die wieder in die Höhe getrieben wurde und allmählich wieder herab sank. Sie sah den Staub auf ihren Schuhen. ‚Staub zu Staub, Asche zu Asche‘, schoss es ihr durch den Kopf.
    Als sie nach oben schaut, blickte sie auf der anderen Straßenseite in das Gesicht von ... Sie konnte es nicht glauben. Da stand Nathan Gailmann. Seit Sucre hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Und nun stand er da. Auf der anderen Straßenseite. Auch er hatte sie gesehen. Kreidebleich im Gesicht. Sie lebte. Was war passiert?
    Anja spürte die Wut in sich aufsteigen. Nathan stand starr und starrte zu ihr herüber. Anja kniff die Augen zusammen, ballte ihre Fäuste. »Na warte, das werde ich dir heimzahlen«, schoss es ihr durch den Kopf. Sie fing an zu laufen. Gleichzeitig hörte sie ein Hupen, quietschende Reifen. Aus den Augenwinkeln sah sie von links ein ehemals blaues Auto heranpreschen. Bis eben war sie in Uyuni unterwegs, ohne großartig Menschen zu begegnen. Von Autos ganz zu schweigen. Von wo kam dieses verflixte Auto her? Sie sah ein Typenschild. Ein Nissan? Sie traute sich nicht, den Kopf zu drehen, um genauer sehen zu können. Einfach nur weiterlaufen. Eins ... zwei ... drei. Es war ihr, als könne sie sich von außen beim Laufen zuschauen. Das blaue Auto kam immer näher. Sie würde es nicht schaffen. »Nur nicht stolpern«, schoss es ihr durch den Kopf. »Den Rhythmus beibehalten ... Eins .... zwei ... drei«. Das Auto war bedrohlich nahe. Irgendwo hörte sie eine Frau rufen »... madre de dios«. Woher kam die Frau? Bisher wirkte Uyuni wie ausgestorben. Das Auto war nur noch wenige Zentimeter von Anja entfernt. ‚Es ist schrecklich, wenn man von außen seinem eigenen Schicksal zuschauen muss, und nicht viel unternehmen kann‘, dachte Anja. Seltsam, wie langsam die Zeit verstrich ... Sie hatte immer geglaubt, es ginge bei einem Unfall rasend schnell. Aber nun merkt sie, wie viel Zeit verblieb ... Gleich würde es so weit sein. Dann ist es zu Ende. Erst Haydee. Jetzt sie. Nein, genau genommen ist es noch viel schlimmer. Erst Ariana, dann Haydee und jetzt sie ... Hätte sie diesen verdammten Auftrag doch bloß nicht angenommen. Aber hinterher ist man immer schlauer ... gleich wäre es so weit ... gleich. Anja schloss die Augen. Ihr Ende wollte sie nicht mit ansehen.
    Der Zusammenprall ließ sich nicht verhindern. Die Fahrerin hatte zwar sehr schnell reagiert, als ob sie es vorhergesehen hätte, aber ganz würde sich der Zusammenstoß nicht vermeiden lassen. Sie hatte es eilig gehabt. Sie wollte nicht zu spät zur Verabredung kommen.
    Anja hatte es fast geschafft. Vielleicht zehn Zentimeter fehlten. Aber zehn Zentimeter können in einer solchen Situation entscheidend sein. Das Auto erfasste Anja von links und schleuderte sie nach rechts vorne. Geistesgegenwärtig versuchte Anja über ihren rechten Arm abzurollen. So wie sie es auf der Matte tausende Male trainiert hatte. Als sie spürte, wie ihre Schulter den Boden berührte, schöpfte sie Hoffnung. Noch kann es nicht aus sein. Sie spürte die Energie, mit der sie nach vorne gerissen wurde. Einen kurzen Augenblick später stand sie wieder auf den Füßen, musste aber immer noch wegen der restlichen Energie laufen, stolperte. Fiel erneut, rollte sich ab und blieb auf dem Rücken liegen.
    Anja überlegte. Hatte sie es nun geschafft oder nicht? Vor ihren geschlossenen Augen sah sie sich liegen. Das sprach gegen einen glücklichen Ausgang. Allmählich meldeten sich Schmerzen in ihrem Bein. Nicht sehr schlimm. Aber es tat weh. Es tat weh. Sie hatte noch nie gehört, dass man noch Schmerzen spürt, wenn es zu Ende ist. Sie öffnete die Augen. Eine Frau mittleren Alters war mit erschrockenen Augen über sie gebeugt. »Ist alles Okay ?« , fragte sie. Eine ältere, weißhaarige Frau redete wild gesitkulierend auf sie ein. Anja versuchte, aufzustehen. »Ich glaube

Weitere Kostenlose Bücher