Puppen
stieß die Worte fast wie einen Fluch hervor.
»Vielleicht erleben wir gerade den Beginn eines Erdbebens, das uns lebendig begräbt.«
»Es ist kein Beben«, erwiderte Kes wie verträumt. »Wir werden Zeugen des Erwachens. Die Stimme des Planeten wird stärker und umfassender. Sie ist voller Freude und Glück. Was Sie jetzt fühlen, Tom… Jede Zelle, jede einzelne Komponente der Harmonie dehnt sich aus, mit dem Ziel, alles zu einem einzigen Ton zu verschmelzen.«
»Nun«, sagte Paris, »wenn wir das Tunnelsystem nicht
schleunigst verlassen, haben wir bald keinen Grund zur Freude mehr. Von mir aus kann es auf dieser Welt so viel Harmonie geben, wie sich die Urrythaner wünschen. Aber sie sollten die Lautstärke ein wenig herunterdrehen.«
Weiter vorn verstummten die Phaser plötzlich, und plötzlich bestand die akustische Kulisse nur noch aus dem Summen der Wände und dem leisen Zischen ihrer Atemzüge. Das Herz
klopfte Paris bis zum Hals empor. Waren Janeway und die anderen den Angreifern zum Opfer gefallen? Kamen sie zu spät? Er lief los und versuchte, die restliche Distanz so schnell wie möglich zurückzulegen. Dabei war er so sehr auf seine Schritte und den Rhythmus des eigenen Atmens konzentriert, daß er den Spalt im Boden überhaupt nicht bemerkte.
»Tom!« rief Kes hinter ihm. »Passen Sie auf!«
Im letzten Augenblick warf er sich zur Seite und vermied dadurch einen fatalen Sturz in die Tiefe. Kes hielt ihn am Rand des Abgrunds fest, aber dadurch geriet sie selbst ins Taumeln und brauchte ihrerseits Paris’ Hilfe, um nicht das
Gleichgewicht zu verlieren. Sie ließen sich beide zur Seite kippen, in eine Öffnung, die sich in der rechten Wand gebildet hatte. Hinter ihnen wogte Staub und bildete eine dichte Wolke, die das Licht von Paris’ Lampe verschluckte und keine Details mehr erkennen ließ.
Er hörte Schreie, die aus einem weiter vorn gelegenen
Bereich des Haupttunnels zu kommen schienen. So sehr er auch die Ohren spitzte – er konnte keine einzelnen Worte verstehen. Die Stimmen kamen aus zu weiter Ferne, und das Knirschen und Knacken im berstenden Felsgestein war noch immer viel zu laut. Paris wußte nicht einmal, ob die Schreie von Menschen oder Urrythanern stammten.
Er hielt Kes dicht an sich gepreßt und bemühte sich, sie mit seinem eigenen Körper zu schützen, während um sie herum Steine herabfielen. Schließlich verebbte das Donnern
allmählich. Die summenden Vibrationen ließen nicht nach, aber die Tunnel und ihre Umgebung fanden offenbar zu einem neuen Gleichgewicht. Noch immer wogten dichte
Staubwolken, und gelegentlich lösten sich weitere Steine aus den Wänden, aber die Decke erweckte nicht mehr den
Eindruck, jederzeit einstürzen zu können.
»Gehen wir«, sagte Paris. Er stand auf und kehrte mit einigen raschen Schritten zum Hauptgang zurück.
Am Rand des Spalts, der vom früheren Tunnelboden fast gar nichts mehr übrig ließ, verharrte er und leuchtete nach unten.
Der Abgrund war wesentlich tiefer, als er zunächst
angenommen hatte. Paris schauderte. Wenn sie auch nur eine Sekunde gezögert hätten, in den Seitengang zu springen…
Dann wäre es um sie geschehen gewesen.
An den Wänden der neu entstandenen Schlucht bemerkte er die unteren Segmente uralter Säulen. Wie riesige, stumme Wächter ragten sie auf. Der tiefe Spalt endete an ihren Sockeln. Man hätte fast meinen können, daß Absicht
dahintersteckte, daß jemand – etwas – bestrebt gewesen war, die Säulen freizulegen.
Weitere Ruinen wurden sichtbar, und ihre Mauern reichten in die Tiefe. Das weit verzweigte Tunnelsystem schien auf den Resten einer früheren Zivilisation errichtet worden zu sein.
Dunkle Hohlräume erstreckten sich hinter halb verschütteten Türen, und Paris sah auch Treppen, die sich zwischen den Säulen hin und her wanden. Fenster gewährten Einblick in Säle und Kammern.
Die Szene erinnerte Paris an Darstellungen, die er in alten Aufzeichnungen gesehen hatte. Die Datenbanken der Voyager enthielten auch viele Bilder von terranischen Kunstwerken. Ein Name fiel ihm ein: Escher. Manche Treppen führten zu keinem bestimmten Ort und endeten an Stellen, wo sich vor der Öffnung des Spalts die nächste Ebene befunden hatte. Hinter einigen Türen wartete Leere. Seltsame architektonische Mischungen zeigten sich dort, wo die Ruinen einer Generation in die der nächsten übergingen.
Paris beugte sich noch etwas weiter vor und spähte in die Düsternis hinab. Etwas hatte sich bewegt. Der
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