Puppen
Pilot versuchte, die Dunkelheit mit seinen Blicken zu durchdringen und an jener Stelle Einzelheiten zu erkennen, wo ihm gerade eine Bewegung aufgefallen war.
»Sehen Sie dort etwas, Kes?« fragte Paris.
Er deutete in die entsprechende Richtung, und die Ocampa beugte sich ebenfalls vor. Sie sah die Gestalt auf dem Sims weiter unten nicht in dem Sinn, spürte eher ihre Präsenz. Als sie einen Teil ihres Selbst danach ausstreckte, wurde das Bild deutlicher. Kim. Es war Kim, und er hatte Probleme.
»Harry ist dort unten«, sagte Kes und wich vom Rand zurück.
»Wir müssen ihn da rausholen. Er befindet sich auf einem kleinen Sims, und ich weiß nicht, wie stabil er ist. Einen Sturz bis zum Boden des Spalts könnte Kim bestimmt nicht
überleben.«
Paris begriff, daß er sich so schnell wie möglich etwas einfallen lassen mußte. Er war nicht direkt auf einer
Kletterpartie
vorbereitet, aber er führte mehr
Ausrüstungsgegenstände mit sich, als es normalerweise der Fall war. Bevor sie das Shuttle verließen, hatte er ein Überlebenspaket mitgenommen – immerhin konnten sie zu
jenem Zeitpunkt nicht wissen, was sie erwartete. Es enthielt auch ein Kunststoffseil, das sich hoffentlich als lang genug erwies. Darüber hinaus verfügte Paris über einige
Bergsteigererfahrungen – obwohl er nie damit gerechnet hatte, unter Umständen wie diesen darauf zurückgreifen zu müssen.
Einmal mehr beugte er sich über den Rand der Schlucht.
»Hören Sie mich, Harry? Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«
In den Schatten weiter unten bewegte sich erneut etwas.
»Ich… ich glaube schon«, erklang eine leise Antwort.
»Können Sie mich hier herausholen?«
»Das werde ich zumindest versuchen!« rief Paris. »Halten Sie durch.«
Er wandte sich an Kes. »Wir müssen an der Wand
entlangklettern und eine Stelle direkt über Kim erreichen, um dann das Seil zu ihm herabzulassen – in der Hoffnung, daß es lang genug ist. Wenn nicht… Dann bleibt mir keine andere Wahl, als einen Abstieg zu versuchen, um die Entfernung zu Kim zu verringern. Sie müssen oben bleiben, um uns beiden aus dem Spalt zu helfen.«
Kes nickte, und ein wacher Glanz kehrte in ihre Augen
zurück, als sie sich ganz auf die gegenwärtige Aufgabe konzentrierte. Die Ocampa spürte deutlich, was um sie herum geschah, aber sie unterlag nicht dem Einfluß des Planeten.
Paris atmete auf. Zuvor, bei ihren Schilderungen in Hinsicht auf das ›Erwachen‹, hatte Paris ihren besonderen
Gesichtsausdruck bemerkt und befürchtet, daß sie sich
endgültig in den Emanationen der fremden Lebenskraft verlor.
Kim hockte hilflos auf einem Felssims, und um sie herum schien eine ganze Welt bersten zu wollen. In einer solchen Situation fühlte man sich besser, wenn man nicht allein war.
Vorsichtig schoben sich Paris und Kes im Haupttunnel am Rand des Spalts entlang. Vom Boden war hier gerade genug Platz geblieben, um die Füße nebeneinander zu stellen. Sie trachteten danach, sich so gut es ging an der Wand
festzuhalten. Gleich mehrmals drohte Paris abzurutschen, als sich Steine unter ihm lösten und in die Tiefe polterten. Sein Herz schlug immer schneller, und das Haar klebte ihm an der feuchten Stirn fest. Schweiß rann ihm übers Gesicht und brannte in den Augenwinkeln.
Weit vorn, am Zugang eines anderen Seitentunnels, bemerkte er einen Sims, etwas breiter als der schmale Vorsprung, auf dem sie derzeit unterwegs waren: ein geeignetes Ziel. Paris sehnte sich danach, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben und sich nicht irgendwo festklammern zu müssen. Die schweißfeuchten Finger glitten immer wieder an der Felswand ab, und hinzu kamen die Vibrationen, die seine Hände allmählich taub werden ließen.
Kes folgte ihm mit einer Mühelosigkeit, die Paris verblüffte.
Ihre zarte Statur erwies sich nun als großer Vorteil, denn dadurch fiel es ihr leichter, Halt zu finden. Mit erstaunlicher Anmut trat sie über den schmalen Vorsprung hinweg, mied dabei jene Stellen, die teilweise unter dem größeren Gewicht des Piloten nachgegeben hatten. Offenbar konnte sie sich selbst dort festhalten, wo für Paris die Felswand völlig glatt war. Nach einer halben Ewigkeit standen sie schließlich auf dem breiteren Vorsprung und blickten wieder in den Spalt.
Paris atmete mehrmals tief durch, um sich zu beruhigen. Mit dem Ärmel wischte er sich den Schweiß von der Stirn.
Von ihrer gegenwärtigen Position aus konnten sie Kim
deutlich erkennen. Er stand nun, blickte nach
Weitere Kostenlose Bücher