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Puppen

Puppen

Titel: Puppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Niall Wilson
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ohne dabei zu langsam zu werden. Durch die besondere Anordnung des Seils wirkte sein eigenes Körpergewicht als Bremse. Kes leistete gute Dienste am anderen Ende des Seils: Immer gab sie genau im richtigen Augenblick nach, um ihm einen kontinuierlichen Abstieg zu ermöglichen. Es dauerte nicht lange, bis er den anvisierten Sims erreichte.
    Als er von dort aus in die Tiefe blickte, fühlte er sich von Schwindel erfaßt. Um ihn herum ragten Felswände und Säulen empor, und tief unten vereinten sie sich mit der Dunkelheit eines schier bodenlosen Abgrunds. Er konnte Kim jetzt
    deutlicher erkennen: Der Fähnrich stand auf einem schmaleren Sims.
    Paris hatte nur wenig Platz, aber daran ließ sich nichts ändern. Er tastete umher und fand nach kurzer Suche eine geeignete Auswölbung in der Felswand. Selbst wenn er mit aller Kraft zog: Kim mußte seine Bemühungen unterstützen.
    Andernfalls schafften sie es nicht, ihn aus dem Spalt zu holen.
    »Also gut«, sagte Paris. »Ich lasse jetzt erneut das Seil zu Ihnen hinab. Schlingen Sie es sich um die Taille, verstanden?«
    Kim nickte. Schmerz zeigte sich in seinem kalkweißen
    Gesicht, und er stützte sich an der Wand ab, um das verletzte Bein zu entlasten. Er versuchte ganz offensichtlich, sich sowenig wie möglich anmerken zu lassen, aber die sonst fast unerschöpfliche Kraft des jungen Mannes neigte sich jetzt dem Ende zu.
    Paris ließ das Seil hinab und hoffte, daß Kim noch über genug Energie und Entschlossenheit verfügte, um
    emporzuklettern, sobald er sich angeseilt hatte. Wenn nicht…
    Der Pilot bezweifelte, ob er ohne Unterstützung in der Lage war, Kim nach oben zu ziehen. Außerdem reichte die Länge der Kunststoffaser nicht aus, um Kes die Möglichkeit zu geben, sie zu sichern und ihn noch tiefer hinabklettern zu lassen.
    Es schien Stunden zu dauern, bis das Seil Kim erreichte. Fast noch einmal soviel Zeit brauchte der Fähnrich, um es an seiner Taille zu befestigen. Schließlich rief er Tom zu, er sei fertig.
    Weiter oben holte Paris tief Luft und schloß die Hände fest um das Seil. Es war bereits um einen anderen Felsvorsprung geschlungen, der dem Piloten stabil genug erschien. Kes hatte den ganzen Rest des Seils zu ihm herabgeworfen – jetzt stand ihm also genug zur Verfügung.
    »In Ordnung«, sagte Paris und versuchte, zuversichtlich zu klingen. »Ich brauche Ihre Hilfe, Harry… Sind Sie schon mal geklettert?«
    »Gelegentlich«, antwortete der Fähnrich mit brüchiger
    Stimme.
    »Jetzt haben Sie die Chance, noch mehr Übung zu
    bekommen. Verzichten Sie auf plötzliche Bewegungen.
    Achten Sie darauf, daß Sie sich nur dort festhalten, wo keine Abrutschgefahr besteht – das ist um so wichtiger, da Sie Ihr verletztes Bein nicht belasten können.«
    Paris sprach weiter, obwohl er wußte, daß Kim eigentlich gar keine Kletterhinweise brauchte. Aber er wußte auch, daß sich der junge Mann fürchtete und einen zumindest leichten Schock erlitten hatte. Vielleicht kamen noch weitere Verletzungen hinzu, von denen er selbst nichts wußte. Der beständige Wortstrom sollte sie beide beruhigen und Kim daran hindern, an die Möglichkeit eines Sturzes in die Tiefe zu denken.
    Gleichzeitig versuchte Paris, sich damit selbst Mut zu machen.
    Er konzentrierte sich auf das Seil und spürte, wie es
    erschlaffte – offenbar hatte Kim mit dem Aufstieg begonnen.
    Er zog es wieder straff und wartete dann darauf, daß es erneut nachgab. Alles in ihm drängte danach, einen Blick über den Simsrand zu werfen und festzustellen, welche Fortschritte Kim erzielte, aber das kam natürlich nicht in Frage. Dadurch hätte er das Gleichgewicht verlieren und es riskieren können, daß sie beide in die Tiefe stürzten. Er stemmte sich an die Wand in seinem Rücken, zog und hoffte, daß alles gut ging.
    Auf eine derartige Situation fühlte er sich kaum vorbereitet.
    Er war daran gewöhnt, auf sich allein gestellt zu sein. Jetzt trug er nicht nur für sich selbst Verantwortung, sondern auch für zwei andere Personen, für Kim und Kes: Er mußte sie in Sicherheit bringen, zurück zur Voyager.
    Kim kam nur sehr langsam voran. Die Zeit schien sich zu dehnen, als Paris immer wieder am Seil zog. Irgendwann hörte er, wie Stiefel über Felsgestein kratzten, und gleichzeitig vernahm er dumpfes Keuchen.
    »Nur noch ein bißchen mehr!« rief der Pilot. »Ganz ruhig, ganz ruhig. Wir haben Zeit.«
    Er fragte sich, wieviel Zeit sie tatsächlich hatten. Die Vibrationen in den Wänden nahmen wieder zu,

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