Puppen
gewinnen, was Vok und die übrigen Urrythaner
anstrebten. Er wußte, daß es eine Chance gab, Vok zu
erreichen und ihn in diese Existenzebene zurückzuholen, zumindest für kurze Zeit. Er hatte bereits das Bewußtsein des Ältesten gespürt, ohne eine nennenswerte geistige
Anstrengung. Eine vulkanische Mentalverschmelzung sollte ihn dem urrythanischen Ich wesentlich näher bringen und es ihm ermöglichen, Vok zurückzubringen.
Wenn es dabei einzig und allein um Vok gegangen wäre,
hätte Tuvok keine derartige Entscheidung getroffen.
Er dachte dabei in erster Linie an die anderen. Er konnte nicht einfach fortgehen und zahlreiche intelligente Wesen in einem geistigen Gefängnis zurücklassen, in dem sie ohne seine Hilfe gefangen blieben. Wer nicht über spezielle mentale Fähigkeiten verfügte, war kaum imstande, so etwas zu
verstehen: Es gab nichts Schlimmeres, als im eigenen Selbst gefangen zu sein, ohne Hoffnung.
Doch Tuvok mußte auch eingestehen, neugierig zu sein. Sein eigenes psychisches Potential war ziemlich groß, und nie zuvor hatte er etwas so Ausgeglichenes wahrgenommen wie die
urrythanische Lebenskraft. Damit einher ging eine enorme Macht, die alles umfaßte, ohne dabei bedrohlich zu wirken.
Die Entität vermittelte Eindrücke von hohem Alter und
Permanenz. Wenn Tuvok es nicht schaffte, die betroffenen Urrythaner aus einer Verbindung zu lösen, die für sie viel zu früh kam, so mochte das Ende hier und jetzt stattfinden. Dann endete eine Kette, die Jahrzehntausende – oder gar noch weiter
– in die Vergangenheit reichte, und er, Tuvok, war dafür verantwortlich.
Es fiel ihm schwer, sich eine so alte Zivilisation vorzustellen, ein Volk, das eine sehr eindrucksvolle mentale Entwicklung hinter sich hatte, ohne dabei auch technische Fortschritte zu erzielen. Ohne Furcht begannen die Urrythaner mit der
Zeremonie, im Vertrauen darauf, daß Vok sie zurückholte. Sie dachten weder an Gefahr noch an die Möglichkeit, daß irgend etwas schiefgehen konnte.
Ban half Tuvok, das Gleichgewicht zu wahren, als sie an den Sängern vorbeitraten und anschließend zum Altar
emporstiegen. Die Ambiana-Blüten bildeten eine glatte Schicht auf dem Boden, und dadurch kamen sie noch schwerer voran.
Tuvok befürchtete, daß die dauernden Erschütterungen den Altar bersten ließen, bevor er Gelegenheit bekam, Vok zu erreichen. Deutlich spürte er, daß die pulsierenden Vibrationen auch weiterhin zunahmen.
»Es gibt kein lebendes Geschöpf, das ein Erwachen erlebt hat«, brachte Ban hervor, als er Tuvok über die letzten Stufen nach oben half. »Wir haben nur Legenden und Geschichten, die von unseren Vorfahren stammen und in denen sie die Ereignisse beschreiben. Es ist noch viel eindrucksvoller, als ich dachte. Ich fühle sie – sie alle –, die Alten vergangener Generationen. In einer großen Gemeinschaft sind sie eins geworden, und jetzt steigen sie auf. Es ist ein wundervoller Augenblick.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob Ihr Planet den ›wundervollen Augenblick‹ übersteht«, sagte Tuvok. »Er könnte
auseinanderbrechen, wenn es so weitergeht wie bisher.« Er hielt sich mit aller Kraft am Rand des Altars fest, so daß die Fingerknöchel weiß hervortraten. Die Knie hatte er gebeugt, um die Erschütterungen abzufedern.
»Es ist schon einmal geschehen«, erwiderte Ban. »Und
unsere Welt existiert nach wie vor. Nach den Legenden ist dies das fünfte Erwachen, seit es Urrythaner auf dem Planeten gibt.
Darum geht es bei dem Erwachen, Tuvok: Unsere Vorfahren streifen die letzten Fesseln ab, erwachen zu einem neuen Leben und zu einer neuen Existent bei den Sternen.«
Tuvok verzichtete auf einen Kommentar. Dies war nicht der geeignete Zeitpunkt für eine philosophische Debatte, und ihm fiel ohnehin die Vorstellung schwer, daß die gegenwärtigen Beben etwas anderes darstellten als das Bestreben einer Welt, sich selbst zu vernichten. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf Vok, stützte sich am Altar ab und berührte den blassen alten Urrythaner behutsam an der Stirn. Dann schloß er die Augen und konzentrierte sich, dehnte das eigene Bewußtsein aus und tastete nach den vertrauten Barrieren, die das andere Ich umgaben. Er suchte nach einer Lücke in dieser mentalen Mauer, nach einer schwachen Stelle, die er durchstoßen konnte.
Vage Schuldgefühle regten sich in ihm. Normalerweise
führte er eine Mentalverschmelzung nur mit ausdrücklicher Erlaubnis der anderen Person herbei. Sie brachte Gefahren mit sich,
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