Puppenbraut
nicht finden!
Warum sah jeder in seiner Braut nur ein Kind? Hatten all die Idioten denn eigentlich keine Augen im Kopf? Das kokette Lächeln, die Taille, die schlanken Beine. Kinder waren doch pummelig und unförmig! Zoey war eine Frau. Basta. SEINE Frau, verstand sich.
Nur selten wollte er sich an den Zustand erinnern, den Leute ‘Kindheit’ nannten. An seine leiblichen Eltern, die ihm, seit er denken konnte, Angst gemacht hatten, schon gar nicht. Soweit er sich erinnern konnte, hatte er oft in die Kissen geweint. Immer dann, wenn er die übermächtigen Schatten sich nachts an der Wand bewegen gesehen hatte. Es war stets ein sicheres Indiz dafür, dass er morgens übermüdet und voller Striemen unter seinen dreckigen Klamotten in der Schule erscheinen würde. Seine Schreie wurden durch die Kissen erstickt, bis er nicht mehr atmen konnte.
Seine Eltern sagten ihm, er wäre ein böser Junge gewesen, dem man die Bosheit aus dem Kopf schlagen musste. Der metallische Geruch seines Blutes, das auf den dreckigen, alkoholgetränkten Boden tropfte, war sein ständiger Begleiter.
In der Schule hatte er sich für seine Familie sehr geschämt. Obwohl er es besser wusste, vermöbelte er jeden nach allen Regeln der Kunst, der sich nur annähernd über sein Zuhause lustig machte. Es war eine Art Familienehre, die mit einem Besuch beim Rektor und saftigen Strafen daheim ‘belohnt’ wurde.
Nachdem er dann im zarten Alter von zwölf Jahren von dem Child Protective Service endlich von Zuhause abgeholt worden war, hatte er nie das Verlangen, seine leiblichen Eltern nochmal zu sehen. Seine neue Pflegefamilie fand er wesentlich netter und war ihnen für das schönere Leben unendlich dankbar. Nur die Erinnerung an den netten, hilfsbereiten Nachbarn hatte ihn von Zeit zu Zeit mit Sehnsucht erfüllt. Er fehlte ihm. Um seine neuen Pflegeeltern nicht zu enttäuschen, hatte er sich ins Zeug gelegt, die Schulen bestmöglich abzuschließen. Er wollte den Erfolg!
Seine neuen Eltern kümmerten sich bis zu ihrem grausamen Tod rührend um ihren neuen Sohn. Bis heute konnte er nicht verstehen, weshalb sich sein Pflegevater, ein angesehener Zahnarzt, an jenem Abend, an dem sie einen Geburtstag mit Freunden gefeiert hatten, noch betrunken hinter das Steuer gesetzt hatte. Dann wich er auf die Gegenfahrbahn aus und wurde von einem Lastwagen erwischt. Warum diese gute Menschen sterben mussten, sollte nicht zu begreifen sein.
Sein Pflegesohn war zu diesem Zeitpunkt zum Glück fast volljährig. Eine erneute Suche nach einer weiteren Pflegefamilie blieb ihm dadurch erspart. Eines Tages erschien ihm das Haus seiner Pflegeeltern zu langweilig, daher beschloss er, einen Schlussstrich zu ziehen. Irgendwann zog er dann nach New York und wechselte seine Identität, um SIE endlich zu finden. Die Stadt war voll von begehrenswerten Frauen, die nur darauf warteten, von ihm Liebe zu bekommen. Das war seine Chance. So bekam er seine Zoey.
Von dem, was er für den Verkauf des Hauses bekam, kaufte er sich ein Reihenhäuschen, das er gedämmt hatte, damit seine Frau und ihn keiner stören konnte. Von Zeit zu Zeit fuhr er einen Rollstuhl, den er mal von einer Müllhalde für den Transport der schlafenden Prinzessinnen mitgebracht hatte, auf seine geräumige Terrasse. Irgendwo auf dem Dachboden hatte er eine Schaufensterpuppe gefunden. Emma sah Menschen zum Verwechseln ähnlich. Eines Tages setzte er sie auf das Gefährt, und so entstand die herzerwärmende Geschichte von einer querschnittsgelähmten Ehefrau, um die er sich kümmern musste. Ob Sommer oder Winter – stets hatte er sie leicht zugedeckt, weil sie angeblich so kränkelte, damit keiner der Nachbarn Verdacht schöpfen konnte.
Sollten sie doch glauben, er würde dort nicht alleine wohnen. Dann brauchte er nicht zu erklären, warum die Mülltonne immerzu voll war. Wenn doch ein Geräusch aus dem isolierten Keller durchkommen sollte, dann würde sich auch keiner wundern. Er war eben der bedauernswerte Nachbar von nebenan.
Kurzerhand kehrte er in die Realität zurück. Mit Beruhigung stellte er fest, dass ihn wieder niemand beim Putzen der Apotheke beobachtete. Zunehmend hatten sie mehr Vertrauen in ihn. Gut so! Er hasste diese Arbeit. Ein einziger Lichtblick waren die so seltenen Augenblicke, in denen sie ihn allein ließen. Er wusste es sofort zu nutzen. Jetzt hatte er genug Zeit, den Medikamentenschrank erneut zu plündern, bevor die Putzkolonne den Raum gemeinschaftlich wechselte. Die
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