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Purpurschatten

Purpurschatten

Titel: Purpurschatten
Autoren: Philipp Vandenberg
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herunterzuspielen, »eine flüchtige Bekannte.«
    »Ja, dann«, erwiderte Herr Erich, begann seine Papiere und Schreibutensilien nervös hin und her zu schieben und nickte verstehend.
    »Kennen Sie die Dame?« setzte Brodka nach.
    »Was heißt kennen, der Herr. Lassen Sie's mich einmal so ausdrücken … Sie verkehrt bisweilen bei uns, Sie verstehen?«
    Brodka verstand zwar nicht genau, ahnte jedoch, was der Portier andeuten wollte. »Nein. Wie darf ich das auffassen, Herr Erich?«
    Der Portier machte ein paar verlegene Handbewegungen, wobei er von einem Fuß auf den anderen trat. »Wir sind ein großes Hotel, wissen S'. Bei uns steigen viele Geschäftsleut' ab, Herren, die schon mal das Bedürfnis haben, mit einer Dame … Sie wissen schon. Aber es ist nicht an uns, die Moralapostel zu spielen. Manchmal kommt eben einer und fragt nach einer Frau für eine Nacht.« Er kramte in einem hölzernen Karteikästchen und zog ein paar Visitenkarten hervor. »In solchen Fällen haben wir unsere Adressen, verstehen S'?«
    Und ob Brodka verstand. Wütend preßte er die Lippen zusammen. Er war auf eine ganz gewöhnliche Nutte hereingefallen!
    Herr Erich schien seine Gedanken zu erraten, denn er fügte hastig hinzu: »Ich möchte betonen, es sind alles Damen mit Niveau, keine billigen …« Er hielt inne und räusperte sich.
    Brodka nickte. »Haben Sie die Adresse einer Nora Molnar in Ihrer Kartei?«
    Herr Erich ließ die Visitenkarten wie ein Kartenspiel durch die Finger gleiten und murmelte: »Molnar, Molnar … nein, tut mir leid. Eine Dame dieses Namens ist nicht darunter. Aber das besagt nichts. Die Damen wechseln ihre Namen genauso häufig wie ihre … Bekanntschaften.«
    Brodka war es gleichgültig, was Herr Erich von ihm denken mochte: Er notierte sämtliche Namen und Telefonnummern auf einen Zettel und ging zurück auf sein Zimmer. Er mußte diese Nora ausfindig machen und zur Rede stellen, koste es was es wolle. Er war es satt, immer wieder vor neue Rätsel gestellt und mit unangenehmen Überraschungen konfrontiert zu werden.
    Brodka hatte die Nummern von insgesamt zwölf Damen – wie Herr Erich sich ausgedrückt hatte. Nach zwölf Anrufen wußte er immerhin, daß der Preis für eine Nacht bei 10.000 Schilling lag und daß keine dieser Damen ihrer Tätigkeit unter dem richtigen Namen nachging. Von Nora Molnar wollten zwei Damen schon einmal gehört haben; eine wußte sogar, daß Nora bevorzugt im Hotel ›Occident‹ verkehrte, einem am Graben gelegenen Etablissement, nicht weit vom Stephansdom.
    Nach Abschluß seiner Fotoreportage, die er halbherzig und ohne viel Engagement hinter sich brachte, fand Brodka endlich die Zeit, sich auf die Suche nach Nora und ihrem Auftraggeber zu machen.
    Das Hotel ›Occident‹ am Graben entpuppte sich als eine Wiener Institution von Rang. Man hätte es ein Stundenhotel nennen können, wäre diese Bezeichnung nicht mit dem Geruch von Schmuddelsex und dem Geschmack des Ordinären und Kriminellen behaftet. Doch das ›Occident‹ erwies sich als seriöse, beinahe vornehme Adresse mit 26 Zimmern und der Versicherung, auch bei stundenweiser Anmietung eines Zimmers nicht mit einem schiefen Blick bedacht zu werden. Und weil das spezielle Angebot des Etablissements keinen saisonalen Schwankungen unterlag, war das ›Occident‹ das einzige Hotel Wiens, das sommers wie winters dieselben Zimmerpreise verlangte.
    Einen Gast mit Namen Nora Molnar kenne sie nicht, ließ die Besitzerin, die spätabends auch Portiersdienste verrichtete, Brodka wissen. Natürlich nicht, lebte das Etablissement doch in erster Linie von der Diskretion. Aber Diskretion ist des Beutels größter Feind. So erfuhr Brodka von der verblühten Blondine, nachdem eine Tausend-Schilling-Note den Besitzer gewechselt hatte, daß Nora Molnar im wahren Leben Markowicz hieß und sich jeden Mittwoch zwischen 23 Uhr und Mitternacht in Zimmer 24 – nach dem Muster der Tapete ›Fliederzimmer‹ genannt – einfände, um dort mit einem gutsituierten Herrn ›von außerhalb‹, der in der Oper das Abonnement 11 belegt habe, den Abend abzurunden – seit gut einem Jahr übrigens, mit Ausnahme der Theaterferien.
    Es war Mittwoch, spät am Abend, und die Gelegenheit war günstig. Brodka sah ein Taxi, das an der nächsten Straßenecke hielt, setzte sich hinein und gab dem Fahrer ein reichliches Trinkgeld und die fadenscheinige Erklärung, er müsse noch eine Zeitlang auf jemanden warten. Von dieser Position aus beobachtete er den
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