Pusteblume
den Verdacht, daß Ravi aus reiner Neugier gekommen war, so wie Leute mit weit aufgerissenen Augen und verrenkten Hälsen an einer Unfallstelle vorbeifuhren, aber sie sagte: »Dann ist Thomas gemein zu dir, und nicht zu mir. Wenn du ihn wirklich sehen möchtest, dann sorge ich dafür, daß er kommt.«
»Ich möchte ihn überhaupt nicht sehen. Jesus Maria, schon sein Anblick würde mich um Monate zurückwerfen. Was ich sagen will, ist, daß er nicht hinter dir steht.«
»Fintan, ich tue alles für dich, wirklich alles«, sagte sie aufgeregt. »Aber ich werde Thomas nicht verlassen.«
»Du hast es versprochen.« Schmollend schob er die Unterlippe vor.
Dann streckte er die Zunge heraus. »Guck mal! Soll ich dir mal meinen entzündeten Mund zeigen? Sieht grotesk aus.«
»Fintan…«
»Guck dir mal meine Zunge an. Riesige Blasen, nicht? Guck«, befahl er, »du sollst gucken!«
»Riesig«, sagte sie tonlos. »Fintan, bitte besteh nicht darauf, daß ich Thomas verlasse. Er behandelt mich eigentlich nicht richtig schlecht…«
»Nein!« Fintan wollte sich aufrichten, hatte aber nicht die Kraft. »Katherine und ich wollen nicht mehr hören, daß es das Beste für dich ist, wenn Thomas dich beleidigt, daß es ein Zeichen seiner Zuneigung ist. Und wir wollen auch nicht hören, daß er nichts dafür kann, daß er ein Arschloch ist. Wenn er seine Mutter so behandelt hat, wie er dich behandelt, dann ist es kein Wunder, daß sie abgehauen ist. Du hast gesagt, du tust alles für mich, also tu’s.«
»Alles, nur nicht das.«
»Es ist doch so leicht«, sagte er schwach. Seine Heftigkeit war verflogen, und er lag wieder matt in den Kissen. »Erklär’s ihr, Katherine. Du brauchst nur deine Sachen in den Käfer zu werfen und wegzufahren.«
In dem Moment stellte Tara sich das wirklich vor und erschrak. Es war, als hätte er sie aufgefordert, von den Klippen zu springen.
Fintan drehte seinen Kopf auf dem Kissen, und ein Büschel Haar löste sich von seiner Kopfhaut. Daß er es nicht zu bemerken schien, machte es noch schlimmer.
»Aber was soll aus mir werden, ohne Thomas?« fragte Tara, und ihr war übel wegen des Haarbüschels. »Ich finde nie wieder einen Mann, und ich kann ohne Mann nicht leben. Nicht, daß ich darauf stolz wäre«, fügte sie noch hinzu.
»Ich muß kotzen«, sagte Fintan dringlich. »Katherine, gib mir die Schüssel.« Er würgte, ohne daß etwas kam, dann ließ er sich schwitzend und erschöpft zurücksinken.
Sie schwiegen. Gerade als Tara und Katherine sich überlegten, wie sie sich verabschieden könnten, sprach Fintan weiter. »Woher weißt du, daß du ohne Mann nicht leben kannst, Tara? Seit wir vor zwölf Jahren nach London gekommen sind, warst du nie länger als eine Woche allein. Kaum ist es mit einem vorbei, fängt es mit dem nächsten an. Probier’s doch mal«, drängte er sie schwach, »durchbrich die Angst.«
Wie ein Fisch an der Angelschnur wand sie sich und versuchte zu entkommen. »Nein, Fintan. Ich bin einunddreißig – du kannst einem alten Hund keine neuen Tricks beibringen. Ich habe Torschlußpanik und –«
»Du mit deiner Torschlußpanik.« Fintan lachte bitter. »Wenn einer Torschlußpanik hat, dann ich.«
Tara war sprachlos. Zorn, Schuldgefühle und Angst vermischten sich. Das hier war Erpressung.
»Willst du etwa so wie deine Mutter enden?« fragte Fintan, und Tara zuckte merklich zusammen. »Und dein Leben mit einem unausstehlichen alten Ekel verbringen? Und dich dauernd verrenken, um es ihm recht zu machen, aber ohne Erfolg? Eigentlich bist du jetzt schon so.«
Tara war zornerfüllt. Wenn sie sich über ihren Vater beklagte, dann war das in Ordnung, aber es verletzte sie sehr, wenn ein anderer so über ihre Familie sprach, auch wenn es ein guter Freund wie Fintan war. Außerdem war sie kein bißchen wie ihre Mutter, die zwar ganz lieb war, aber sich eindeutig als Fußabtreter mißbrauchen ließ. Auch wenn Thomas manchmal schwierig war, so war Tara doch nicht der Fußabtreter. Sie war eine moderne, unabhängige Frau, die ihre eigenen Entscheidungen traf und Power hatte. Oder etwa nicht?
»Du darfst mir nichts abschlagen, was ich mir wünsche. Ich habe Krebs.« Dann spielte er seinen letzten Trumpf aus. »Wenn du Thomas nicht verläßt«, sagte er mit einem Zwinkern, »sterbe ich, und das hast du dann davon.«
Tara wollte ihn umbringen. Sie war voller Angst und Trauer. Ihr pochte das Blut in den Ohren, als sie ihn sagen hörte: »Also meinetwegen, ich bin zu einem
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