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Pusteblume

Pusteblume

Titel: Pusteblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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daß er gerade in dem Moment mit ihr im Bett liegen konnte.
In dem Moment.
Irgendwo in der Stadt könnte Joe Roth im Bett liegen, die Arme um eine nackte Frau geschlungen. Katherine stellte sich vor, daß sie diese Frau war, daß seine Begierde allein ihr galt.
    Sie lag flach auf dem Rücken und sah angespannt zur Decke. Es war schon lange her, daß sie in der Nacht aufgewacht war, und es gefiel ihr gar nicht. Uralte Gefühle kamen in ihr hoch, sie nagten an ihr und quälten sie.
    Plötzlich war sie wieder neunzehn, und der Schmerz, zum ersten Mal bis ins tiefste Innere verwundet worden zu sein, war ganz frisch. Sie hatte eine Ausbildung als Buchhalterin in Limerick begonnen, konnte es aber nicht ertragen, länger dort zu bleiben, weil alles sie an ihre verlorene Liebe erinnerte. Sie hatte das Gefühl, verrückt werden zu müssen, wenn sie blieb. Deswegen reichte sie bei Good & Eider die Kündigung ein, was überrascht zur Kenntnis genommen wurde, weil sie ein guter Lehrling war. Obwohl sie in letzter Zeit etwas nachgelassen hatte, fiel ihrem Vorgesetzten ein, als er genauer darüber nachdachte.
    Sie zog wieder nach Knockavoy und hoffte, so ihrem Schmerz zu entkommen. Eines Nachtmittags im September traf sie unangekündigt mit dem Bus ein. Alle waren überrascht, sie zu sehen, weil sie den Sommer über kaum zu Hause gewesen war. Als sich herausstellte, daß sie dableiben würde, waren alle noch mehr überrascht. Sie war der große Star des Schulabschluß-Jahrgangs 1985 gewesen, die eine, die den Absprung geschafft hatte, und jetzt war sie wieder da und wollte den Grund nicht nennen.
    Taras und Fintans anfängliche Begeisterung schwenkte schnell in Besorgnis um. Offenbar hatte ihr Freund in Limerick sie sehr verletzt. Ihre Art, die Nase zu rümpfen, wann immer die beiden sagten, sie fänden einen Jungen hübsch, sprach Bände. »Na und?« höhnte sie erhitzt. »Erst tun sie so, als wären sie verrückt nach dir, und wenn du angebissen hast, lassen sie dich fallen.«
    »Ich hätte nichts dagegen, wenn mich jemand anbeißen würde«, sagte Fintan und lachte, und Katherine sah ihn wütend an.
    »Es ist viel besser, allein zu bleiben«, sagte sie heftig, und ihr Gesicht war eine schmerzverzerrte Maske.
    Bis dahin war sie immer so unbeschwert und fröhlich gewesen. Obwohl sie sich nicht mit Jungen einließ, hatte es ihr nichts ausgemacht, wenn die anderen es taten. Was war geschehen?
    »Erzähl uns doch bitte, was war«, bedrängten sie sie immer wieder und verzweifelten fast. »Es hilft, wenn man darüber spricht. Wirklich, wir wissen doch auch, wie das ist.
    Aber Katherine ließ sich nicht darauf ein. Es ging einfach nicht.
    Und in ihrem Schweigen eingeschlossen zerriß die Sehnsucht sie. Und wollte nicht weichen.
    Sie war in einem reinen Frauenhaushalt aufgewachsen, hatte auch keine Onkel, hatte nie einen Freund gehabt und war immer glücklich gewesen. Aber als sie die überwältigende Nähe eines geliebten Mannes erfuhr, war plötzlich alles anders; sie hatte ein Gebiet großer Bedürftigkeit entdeckt. Sie wollte Liebe und Geborgenheit – von einem Mann. Obwohl es für sie keinen Sinn ergab, hatte sie das Gefühl, daß nur ein Mann den Schmerz wegnehmen konnte, den ein anderer ihr zugefügt hatte.
    Aber was sollte sie tun? Die Vorstellung, sich wieder zu verlieben, schreckte sie ab. Außerdem würde sie ihren Liebeskummer niemals überwinden. Dann fiel ihr in einer schlaflosen Nacht, zwei Wochen nach ihrer Flucht aus Limerick, ihr Vater ein, Geoff Melody. Und alles kam ihr plötzlich leicht vor.
    Auf einmal war der Wunsch, ihn kennenzulernen, so stark und gegenwärtig, daß sie am liebsten auf der Stelle aufgestanden und nach England gefahren wäre, um ihn aufzusuchen. Was sie verblüffte, war die Tatsache, daß sie so lange gar nicht an ihn gedacht hatte. Wieso war ihr der enorme Mangel nicht schon früher aufgefallen? Wieso hatte sie soviel Zeit vergehen lassen?
    Eine frische, süße Hoffnung wischte den bitteren Schmerz beiseite, und plötzlich hatte Katherine einen Grund zu leben. Sie hatte gedacht, ihr Leben sei vorbei und niemand würde sie je wieder lieben, doch jetzt hatte sie noch einmal eine Chance. Sofort wurde ihr Vater das Ziel aller Träume und Sehnsüchte. Er würde sie verstehen. Wahrscheinlich war er ihr sehr ähnlich. Er würde ihre Rettung sein, das glaubte sie bestimmt. Mit Sicherheit würde sich jetzt alles zum Guten wenden.
    Was für ein Mensch er wohl war? Es hatte keinen Sinn, ihre Mutter zu

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