Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz
sie
eindringlich. »Es gibt keine Rettung für diese Männer, und ich lasse nicht zu,
daß Sie sich noch mehr erschöpfen, indem Sie es versuchen.«
Zu müde und entmutigt, um zu
antworten, schluckte Annie nur, nickte und erlaubte Kathleen, sie die Treppe
hinaufzuführen.
Annie war entschlossen, Rafael
aufzusuchen, um ihm von dem geheimen Tor zu erzählen, aber ihre Müdigkeit war
so überwältigend, daß sie schon eingeschlafen war, bevor sie den Teller Suppe
leeren konnte, den Kathleen ihr aus der Küche geholt hatte.
Mehrere Stunden mußten vergangen
sein, bevor sie aus finsteren Träumen aufschreckte und versuchte, die Augen
aufzuschlagen.
Zuerst glaubte Annie, sich den
kalten Stahl an ihrer Kehle nur einzubilden. Sie versteifte sich jedoch vor
Schreck, und eine große Männerhand legte sich über ihren Mund und erstickte den
Schrei, der in ihrer Kehle aufgestiegen war. Sie war jetzt hellwach, konnte
jedoch nicht mehr erkennen, als einen Schatten und einen Schopf blondes Haar.
Ihr Herz begann rasend schnell zu
klopfen, als ihr bewußt wurde, was hier vorging.
»Sie haben allen Grund, sich zu
fürchten«, zischte Jeremy Covington ihr heiser zu. Sie fühlte die Messerklinge
zu ihrem zarten Hals hinuntergleiten, und ihr brach der kalte Schweiß aus.
Covington seufzte und strich ihr das
Haar aus dem Gesicht, mit einer fast gespenstischen Zärtlichkeit, als ob sie
einmal Liebende gewesen wären. »Es wird nicht leicht sein, Sie zu töten«,
beklagte er sich. »Sie sind solch ein schönes Geschöpf, blond und wild wie eine
Löwin ...«
Annie kämpfte gegen den Instinkt an,
sich zu bewegen und zu zappeln — ihr Schock hatte ein wenig nachgelassen, und
sie wußte, daß ihre einzige Chance darin lag, die Ruhe zu bewahren.
Der Leutnant verschränkte plötzlich
seine Finger in ihrem Haar und riß daran, und Annie schloß die Augen vor dem
Schmerz, der sie durchzuckte. Ein saurer Geschmack stieg in ihrer Kehle auf,
und ihr Herz raste dermaßen schnell, daß sie befürchtete, einen Anfall zu
erleiden.
»Verdammtes kleines Biest«, zischte
Covington und senkte sein Gesicht dicht auf ihres. Sie roch Wahnsinn in seinem
Atem und in seinem Schweiß und erlitt einen neuen Anfall von Entsetzen, als er
ein Knie zwischen ihre Beine drängte. »Wenn Sie doch bloß Ihren süßen Mund
gehalten hätten ...« Er nahm das Messer von Annies Kehle und strich mit seiner
scharfen Spitze über ihre Augenbrauen und ihre Nase. »Aber nein, das konnten
Sie nicht, was? Und jetzt muß ich Ihretwegen den Rest meines Lebens wie ein
Verbrecher leben, und alle Türen, die mir einst offenstanden, werden mir nun
verschlossen sein!«
Annie wehrte sich, nicht gegen
Jeremy Covington, sondern gegen ihre eigene Furcht. Reglos starrte sie zu ihm
auf und wartete.
Ohne seine Hand von ihrem Mund zu
nehmen, zeichnete Covington mit der Messerspitze die Umrisse ihrer Brüste nach.
Selbst durch das dicke Gewebe ihres Nachthemds spürte sie die tödliche Schärfe
der Waffe, und wieder drohte Entsetzen sie zu überwältigen.
Sag mir, was ich tun soll? flehte sie stumm zu Gott. Ich
will nicht sterben!
Covington preßte die Klinge wieder
an ihre Kehle und verlagerte sein Gewicht, bis er rittlings über Annie hockte.
»Ich werde jetzt einen Moment lang die Hand von Ihrem Mund nehmen«, sagte er in
einem unheimlich vernünftigen Ton. »Aber ich warne Sie, Annie. Wenn Sie
schreien, stoße ich Ihnen das Messer in Ihren hübschen Hals.« Er schüttelte den
Kopf und schnalzte mißbilligend mit der Zunge. »Welch ein Schock es für den
guten Rafael sein wird, wenn er seine kleine amerikanische Mätresse in ihrem
eigenen Blut vorfindet!«
Annie bot ihren letzten Mut auf. Rafael, schrie sie tief in ihrem Innersten. Hilf mir! Aber als Covington
seine Hand fortnahm, verhielt sie sich still.
»Tun Sie es nicht, Leutnant«,
antwortete sie so ruhig, daß sie sich fragte, wie sie dazu fähig war. Denn
innerlich schrie sie. »Es wird nur alles nur noch für Sie verschlimmern. Sie
werden dann ein Mörder sein. Wie viele Türen werden Ihnen dann noch
offenstehen?«
Annie merkte zu spät, daß sie einen
groben Irrtum begangen
hatte. Selbst im Dunkeln sah sie, wie Covingtons Gesicht sich verzerrte, und
fühlte seinen Zorn am Druck seiner Schenkel gegen ihre Hüften. Während er den
Dolch in beide Hände nahm und ihn erhob, um zuzustechen, stöhnte er jedoch ganz
plötzlich auf, und die Spitze eines Degens durchbohrte von hinten seine Brust.
In Angst und Entsetzen schaute
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