Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz
sie bringen? Es müßte schon ein Ort
sein, wo sie nicht im Wege sind?« sagte sie, und Annie sah plötzlich, daß sie
ganz merkwürdig grün um die Nase war.
Hab Geduld, sagte Annie sich. Phaedra ist
deine liebste Freundin, und sie ist überreizt. So aufreizend naiv sie auch
manchmal sein mag, so liebst du sie doch von ganzem Herzen.
»Es gibt viele unbenutzte Räume in
dem Flügel hinter der Küche«, sagte Annie zu dem Soldaten. »Ich glaube, die verwundeten
Rebellen werden dort auch gepflegt.«
Ein Blick müder Dankbarkeit erschien
in den Augen des jungen Mannes, er nickte und ging weiter.
Phaedra schob ihre Hand unter Annies
Arm. »Ich muß mit dir reden«, erklärte sie. »Unter vier Augen.«
»Möge mir der Himmel beistehen«,
murmelte Annie.
Die Prinzessin lachte ein bißchen
schrill. »Findest du mich wirklich so anstrengend, Annie?«
»Ja«, erwiderte Annie ohne
Umschweife, ließ sich jedoch von Phaedra bei der Hand nehmen und in den
hinteren Teil der Kapelle führen, wo sie sich unter einem Buntglasfenster auf
eine Bank setzten.
»Das Kleid ist fertig«, sagte
Phaedra.
Die Erinnerung an die zahllosen
Anproben für dieses verflixte Kleid löste einen weiteren Anfall von
Gereiztheit in Annie aus. »Ich bin heilfroh, es zu hören«, erwiderte sie spitz.
Phaedra rückte näher, ihre Stimme
war kaum mehr als ein Hauch. »Ich muß dir etwas gestehen.«
Ein leises Mißtrauen erfaßte Annie.
»Was?« fragte sie, beinahe wütend. Ihre Geduld wurde heute auf eine harte
Probe gestellt.
Die Augen der Prinzessin füllten
sich mit Tränen. »Ich dachte, wenigstens du, Annie, wärst auf meiner Seite!«
»Das bin ich auch«, entgegnete Annie
wütend. »Aber das heißt nicht, daß ich dich nicht manchmal gern ermorden
würde!«
»Ich kann Chandler Haslett nicht
heiraten.«
Annie hatte das Gefühl, daß ihre
Knochen sich in ihr auflösten; sie sackte betroffen auf der Bank zusammen. »Was?«
Eine Träne rollte glitzernd über
Phaedras Wange. »Ich liebe einen anderen. Ich werde mit ihm durchbrennen.«
»Das kannst du nicht!« rief Annie,
wenn auch nicht allzu laut. »Es kommen jeden Tag mehr Hochzeitsgäste, und das
Kleid ist fertig, und Rafael würde furchtbar wütend sein ...«
»Es wird ja eine Hochzeit
stattfinden«, sagte Phaedra begütigend. »Nur werde nicht ich die Braut sein.«
Annie starrte sie einen Moment verständnislos
an, um dann zu fragen: »Was, in aller Welt, willst du damit sagen?«
»Du Gänschen«, kicherte Phaedra
gutmütig. »Begreifst du es denn nicht? Ich hatte nie vor, an der Trauung
teilzunehmen. Deshalb bat ich dich ja auch, für das Kleid Anprobe zu stehen.«
Die Bedeutung ihrer Worte ging Annie
allmählich auf, und sie wunderte sich, daß sie es nicht schon früher begriffen
hatte. »Du willst, daß ich bei deiner Hochzeit für dich einspringe? Kommt
nicht in Frage, Phaedra.« Mit fester Stimme, obwohl ihr Entschluß bereits zu
schwanken begann, wiederholte sie: »Kommt nicht in Frage — ich werde es
nicht tun, Phaedra.«
Doch die Prinzessin blieb ungerührt.
»Natürlich wirst du das«, erklärte sie nüchtern, »weil du weißt, daß es um den
Rest meines Lebens geht. Stell dir vor, Annie — mein Glück liegt in deiner
Hand!«
»Hör auf«, warnte Annie, aber sie
schwankte bereits. Sie hatte Phaedra immer in Schutz genommen, und diese Angewohnheit
war schwer abzulegen.
»Bitte«, drängte Phaedra und ergriff
bittend Annies Hände. »Es ist die einzige Möglichkeit für mich.«
Annie warf einen unsicheren Blick
auf die Mägde, aber sie waren alle beschäftigt und plapperten unter sich.
»Warum kannst du nicht einfach zu Chandler gehen und ihm die Wahrheit sagen?«
»Er kennt meine Gefühle«,
sagte die Prinzessin, »aber sie sind ihm gleichgültig. Selbst angesichts des
bevorstehenden Zusammenbruchs unseres Lands hat Mr. Haslett viel durch eine Ehe
mit mir zu gewinnen. Und du weißt ja, wie Rafael ist — er würde mich eher als
Opferlamm darbringen, als seine verdammte Ehre aufs Spiel zu setzen.«
Annie schloß gequält die Augen.
Einen Monat zuvor noch hätte sie Phaedras Logik heftig widersprochen, aber
heute wußte sie, daß ihre Freundin recht hatte. Für Chandler Haslett und Rafael
St. James war eine Eheschließung keine Frage der Liebe, sondern eine Frage von
Verträgen, Abkommen und Austausch von Besitztümern.
»Wer ist denn dieser mysteriöse
Mann, den du angeblich liebst?« fragte Annie nach kurzem Schweigen.
Phaedra starrte auf ihre Hände. »Das
kann
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