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Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz

Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz

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biß sich auf die Lippen und nickte
zustimmend.

Neunzehn
    Noch bevor der erste rötliche Schimmer
am Horizont erschien, hatte sich bereits eine Menschenmenge auf dem Hof der
Burg versammelt. Schwach vor Übelkeit, einen geborgten Schal fest um die
Schultern, schaute Annie sich suchend nach Rafael um und entdeckte ihn
schließlich auf dem Balkon seines Arbeitszimmers. Mr. Barrett stand, in der
Galauniform der königlichen Garde, an seiner rechten Seite.
    Annie war nicht Rafaels Prinzessin
und durfte deshalb bei offiziellen Anlässen nicht den Platz neben ihm einnehmen.
Dennoch liebte sie ihn wie die zärtlichste aller Gattinnen, und sein Kind nahm
unter ihrem Herzen bereits Gestalt an. Sie eilte über den Hof, in die große
Halle, eine Treppe hinauf und über den Korridor zum Arbeitszimmer. Wachen waren
hier postiert, und als Annie versuchte, an ihnen vorbeizugehen, blockierten
sie ihr den Weg.
    Sie verschanzte sich hinter ihrem
Mut. »Laßt mich sofort hinein!« befahl sie.
    Die Männer schauten sich gegenseitig
an, dann Annie.
    »Tut mir leid, Miss«, sagte einer
von ihnen. »Befehl von Mr. Barrett. Niemand darf hinein.«
    Annie begann zu widersprechen, doch
bevor sie mehr als ein paar Worte sagen konnte, öffnete sich eine der Doppeltüren,
und Rafael erschien. Er wirkte mitleiderregend schmal und war blaß wie der
Geist von Hamlets Vater.
    Seine grauen Augen richteten sich
auf Annie, verengten sich, dann lächelte er schwach. »Laßt sie hinein«,
verlangte er resigniert, und Barretts Männer gehorchten.
    Sobald sie im Zimmer waren, schloß
Rafael wieder die Tür.
    »Woher wußtest du, daß ich draußen
war?« fragte Annie.
    Rafael zog eine Augenbraue hoch und
seufzte. »Ich sah dich auf dem Hof und dachte mir, daß du auf dem Weg hierher
warst.« Er hielt inne, um sich mit den Fingern durch sein noch immer
ungepflegtes Haar zu streichen. Wenn er nicht bald unter die Schere eines
Barbiers kommt, dachte Annie, wird er bald so aussehen wie Tom Wallcreek, der
Rebell. »Geh in dein Zimmer zurück, Annie. Eine Hinrichtung ist kein angenehmer
Anblick.«
    Heiße Röte stieg in ihre Wangen.
»Glaubst du etwa, ich wollte zusehen, wie einige dieser Ungeheuer dort
unten auf dem Hof?« zischte sie, während sie sich an ihm vorbeischob zur
Terrassentür. »Ausgerechnet du müßtest doch selbst am besten wissen, daß es
eine Frage der Selbstachtung für mich ist. Wenn meine Aussage dies alles
ausgelöst hat, kann ich nichts anderes tun, als es bis zum bitteren Ende
durchzustehen.« Sie erwähnte nicht das andere Motiv für ihre Teilnahme,
nämlich das Bedürfnis, Rafaels Sorgen zu teilen so gut wie seine Freuden.
    Er nahm ihren Arm, bevor sie die
Terrasse erreicht hatte. Draußen, in der kühlen Stille des frühen Morgens,
brach die Menge in lautstarken Beifall aus.
    Der Prinz schloß für einen Moment
die Augen, schaute dann bis tief in Annies Seele und sagte: »Ich entbinde dich
von dieser Pflicht. Geh ... bitte.«
    Annie schüttelte den Kopf. »Tut mir
leid, Rafael, aber selbst du besitzt nicht die Macht, dich über die Gebote meines
Gewissens hinwegzusetzen.«
    »Ich habe keine Zeit, mit dir zu
streiten«, sagte er, als ein weiterer Jubelschrei die Stille zerriß.
    Annie fragte sich, ob die Zuschauer
die Hochzeit ebenso interessant finden würden wie die Hinrichtung. Wahrscheinlich
schon, dachte sie, wenn das geheiligte Sakrament der Ehe vor ihren Augen in
eine Zirkusvorführung verwandelt wurde, und die Rolle, die sie selbst dabei
spielen würde, verursachte ihr Gewissensbisse.
    »Ich auch nicht«, erwiderte sie.
»Laß mich bei dir bleiben, Rafael. Wenn du es nicht erlaubst, gehe ich auf
einen anderen Balkon.«
    Der Prinz ergriff ihre Hand, murmelte
etwas, das besser ungehört blieb, und zog sie auf den Balkon hinaus. Dort hielt
sie sich halb hinter Rafael, obwohl ihre Finger noch immer mit seinen
verschränkt waren.
    Peter Maitland war bereits die
Stufen zum Galgen hinaufgeführt worden. Er stand steif in der kühlen
Tagesdämmerung, eine seltsam romantische Gestalt mit hinter dem Rücken
zusammengebundenen Händen. Annie schaute zu, ohne sich auch nur ein Blinzeln zu
gestatten, wie eine Kapuze über seinen Kopf gezogen wurde. Neben ihm sprach ein
Priester Worte, die Annie nicht hören konnte, und schlug das Zeichen des
Kreuzes.
    Die Schlinge wurde um Maitlands Hals
gelegt, und Annies Knie erbebten. Verstohlen schaute sie zu Rafael hinüber und
sah, daß er so steif und reglos wie der Gefangene dastand und sein Gesicht,

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