Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz
glaubst mir also«, sagte sie,
als sie durch die Halle schritten, an unzähligen, prächtig gekleideten
französischen, spanischen und bavianischen Aristokraten vorbei, die sich im
Auge des politischen Sturms versammelt hatten, um die bevorstehende Hochzeit
einer der ihren zu feiern.
Rafael zog eine Augenbraue hoch. »Du
bist viel zu anständig, um in einer so wichtigen Angelegenheit zu lügen«,
erklärte er. »Covington und die anderen — ich hege keinen Zweifel daran, daß er
uns ihre Namen verraten wird — werden für ihre Taten büßen, Annie. Wer auch
immer den Schuß abgab, der den Studenten tötete, wird des Mordes angeklagt
werden.«
Annie schluckte und nickte stumm. Es
geschah Covington und seinen Spießgesellen nur recht, für ihre Verbrechen zur
Rechenschaft gezogen zu werden, aber es zu wissen, ließ die Angelegenheit nicht
weniger häßlich oder tragisch erscheinen. »Ist der Leutnant mit Felicia
verwandt?« fragte sie, als sie den Ballsaal betraten.
Er funkelte nur so von Kerzenschein
und Farben, und die Spiegell an den Wänden verdoppelten den Glanz und warfen
ihn auf die fröhlichen Tänzer zurück. Es war ein zauberhafter Anblick, und
Annie wäre fasziniert davon gewesen, wenn sie nicht gerade diese unangenehme
Begegnung mit Covington erlebt hätte. Als Rafael sie jedoch in die Arme zog,
vergaß sie alles andere; sie hielt ganz unbewußt den Atem an, und ihre Haut
begann zu prickeln, wo er sie berührte.
Rafael versteifte sich fast
unmerklich. »Ja«, erwiderte er betrübt, während er seinen besorgten Blick über
die Menge gleiten ließ. »Leutnant Covington ist Felicias Bruder.«
Annie spürte, daß sich die Nachricht
von seiner Verhaftung bereits im Ballsaal herumsprach; das allgemeine Tuscheln
war sogar über das Klirren der Gläser und die Musik zu vernehmen. Bevor Annie
jedoch auf Rafaels Worte antworten konnte, entstand Unruhe in einer Ecke des
Saals, gefolgt von schockierten Ausrufen und gemurmelten Protesten, als
Felicia Covington sich rücksichtslos durch die Menge zu Rafael vordrängte.
Felicia war erschreckend bleich, als
sie vor dem Prinzen stehenblieb und damit seinen Tanz beendete; ihre braunen
Augen verrieten Panik, Fassungslosigkeit und Zorn. Annie, die an Rafaels Seite
stand, ihren Arm verschränkt mit seinem, beachtete Felicia kaum.
»Ist es wahr, Rafael?« fuhr Felicia
ihn an, als Chandler Haslett zu ihnen herüberkam. »Hast du Jeremy abführen lassen
wie irgendeinen gewöhnlichen Dieb?«
Rafael seufzte. »Nicht hier,
Felicia«, sagte er sanft. »Nicht jetzt.«
Felicia schien zu schwanken, aber
Annie hätte nicht sagen können, ob es an ihrem erregten Zustand lag oder ob si
zuviel Champagner getrunken hatte. Miss Covington tat ihr leid, und sie hätte
sie gern getröstet, wußte jedoch, daß ei solche Geste jetzt nicht willkommen
war, schon gar nicht v seiten der Frau, die Jeremy Covington beschuldigt hatte.
»Du hast ihn schon immer gehaßt!«
beschuldigte sie Rafael mit schriller Stimme. »Genauso, wie du Lucian gehaßt
hast!«
Rafael schloß gequält die Augen. »Chandler«,
sagte er und ließ es wie eine Bitte klingen, die Mr. Haslett auch sofort zu
verstehen schien, denn er nahm Felicias Arm und begann sie sanft fortzuführen.
Sie wehrte sich jedoch, lange genug,
um Annie auf die gleiche Weise anzustarren, wie ihr Bruder es getan hatte.
»Sie!« zischte sie. »Sie haben sich diese schreckliche Lüge über meinen
Bruder ausgedacht!«
Annie schwieg und litt, denn sie
mochte Felicia und hatte gehofft, daß sie und diese Frau eines Tages
Freundinnen werden könnten. Doch jetzt bestand natürlich keine Chance mehr
dazu. Türen schlossen sich, Leben änderten sich und Länder brachen auseinander.
»Kommen Sie mit, meine Liebe«, sagte
Chandler leise zu der hysterischen Felicia. Seine Freundlichkeit der Frau
gegenüber machte ihn Annie noch sympathischer als zuvor. Sie schätzte seine
Freundschaft und seinen Rat und hoffte nur, daß er sie nach dieser
schicksalhaften Nacht nicht auch ablehnte. Sie hatte sich heute genug
Feindschaft eingehandelt, zuerst von Jeremy Covington, und dann von seiner
Schwester.
Rafael schaute ihnen einen Moment
nach und drückte dann Annies Hand. »Ich werde lieber nachsehen, ob Felicia sich
beruhigt hat. Wirst du mir einen Tanz freihalten, Annie?«
Sie hätte es ihm nicht verweigern
können, und obwohl sie einen Stich der Eifersucht verspürte, weil er sich um
Felicia sorgte, gehörte seine Ritterlichkeit zu den Eigenschaften, die sie
Weitere Kostenlose Bücher