Quade 03 - Suesse Annie, Wildes Herz
zu verlassen.
Einen Moment lang lehnte sie ihre
Stirn an seine Schulter, während sie um ihr inneres Gleichgewicht kämpfte, und
Rafael legte einen Finger unter ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen.
»Möchtest du lieber gehen, Annie?«
fragte er. »Es war ein anstrengender Abend für dich.«
Seine Besorgnis war ihr Verhängnis;
sie begann zu weinen, und nichts vermochte mehr den Strom von Tränen aufzuhalten.
»Vielleicht ... sollte ich ... gute
Nacht sagen ...« schluchzte sie.
Entschlossen führte Rafael sie durch
die breiten Terrassentüren in den Garten, in dem sie zuvor mit Phaedra gesprochen
hatte. Er blieb jedoch nicht stehen, um zu reden, sondern zog sie einfach mit
sich weiter, an Sträuchern und Statuen, Marmorbänken und sich küssenden
Liebespaaren vorbei. Und dann endlich, mitten in einem Kreis von Hecken und
Rosensträuchern, waren sie allein, und Rafael zog Annie in die Arme. Als er ihr
in die Augen schaute, sah sie sehr widerstreitende Emotionen in seinem Gesicht.
»Ich habe versucht, dich zu vergessen, Annie, aber es ist mir nicht gelungen.
Ich habe kein Recht, dich um irgend etwas zu bitten, und doch kann ich nicht
anders. Ich brauche deinen Trost, falls du noch immer bereit bist, ihn zu
geben.«
Annie fragte nicht, was er ihr im
Ausgleich dafür geben würde, weil sie die Antwort darauf kannte. Falls Rafael
sie liebte und nach der Hochzeit fortschickte, womit sie rechnete, würde sie
wenigstens die Erinnerung an ihre gemeinsam verbrachte Zeit besitzen, denn sie
wußte, daß sie sich nach Rafael niemals einem anderen Mann hingeben würde.
Aus diesem Grund sagte sie mit
fester Stimme, obwohl ihr Herz so heftig klopfte, daß das Blut ihr in
den Ohren dröhnte: »Ja, Rafael. Ich möchte mich dir schenken.«
Mit einem bangen, hungrigen Laut zog
er sie noch fester an sich, preßte seinen Mund auf ihre Lippen und begann die
warme Süße ihres Mundes zu erforschen.
Annie überließ sich seinen
Zärtlichkeiten bereitwillig und voller Freude. Sie war dazu erzogen worden,
selbständig zu sein, und die Entscheidung lag bei ihr, bei ihr allein — niemand
sonst konnte dafür verantwortlich gemacht werden. Sie würde die Ekstase kennenlernen,
sich Rafael hinzugeben, und eines Tages, zweifellos, würde sie auch die
Konsequenzen kennenlernen.
Es war Rafael, der den fieberheißen
Kuß abbrach, indem er keuchend die Hände um Annies Taille legte und sie ein
wenig fortschob. »Großer Gott«, murmelte er, und es klang fast so, als ob er um
Hilfe bäte, um Rat und Führung. Vor allem jedoch um Trost.
Annie wollte ihn berühren, aber er
hielt sie auf Distanz.
»Nein, Annie«, sagte er rauh, »faß
mich jetzt nicht an, sonst schwöre ich, daß ich dich hier auf der Stelle nehmen
werde, in diesem Augenblick! Aber so will ich es nicht haben.«
Einen freudigen Moment lang dachte
Annie, er würde sie jetzt um ihre Hand bitten. Dann erkannte sie, daß das nie
geschehen würde, egal, was zwischen ihnen vorfiel. Was ihn betraf, so näherte
sich seine Zeit ihrem Ende und seine Welt ihrem Untergang. Rafael St. James
hatte keine Zukunft mehr zu geben.
»Wie soll es dann geschehen?«
erkundigte sie sich leise. Es hätte ihr nichts ausgemacht, wenn Rafael sie hier
genommen hätte, im Schein des Monds im weichen Gras, solange er es nur tat. Sie
empfand ein unglaubliches Verlangen nach ihm, sie schämte sich nicht dafür.
Rafael löste die Hand von ihrer
Taille und legte sie an ihre Wange. Mit dem Daumen strich er über ihre vollen
Lippen und senkte dann den Kopf, um einen sehr sanften Kuß auf ihren Mund zu
hauchen. »Wenn der Ball zu Ende ist«, sagte er, »bringe ich dich in mein Zimmer
und werde dich im Schein des Feuers lieben, wie es sich gehört.«
»Hoffentlich nicht zu sehr, wie es sich
gehört«, antwortete Annie rasch.
Rafael lachte erfreut und schüttelte
den Kopf. »Welch ein Rätsel du doch bist«, erwiderte er erstaunt. »Ich würde
mein Leben darauf verwetten, daß du noch Jungfrau bist, und doch besitzt du den
Mut einer Konkubine.« Das belustigte Funkeln wich aus seinen Augen. »Und du
ahnst gar nicht, wie sehr ich mich für diese Nacht verachten werde!«
Annie trat einen Schritt auf ihn zu
und berührte seine Lippen. »Psst, Rafael«, wisperte sie. »Zerstör es nicht.
Bitte. Es wird vielleicht alles sein, was ich jemals von dir haben werde, und
ich möchte, daß es wunderschön wird.«
Er runzelte die Stirn, schloß seine
Hand um ihre und küßte ihre Handfläche, bevor er sie an seine Brust
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