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Qual (German Edition)

Qual (German Edition)

Titel: Qual (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King , Richard Bachman
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Kanone mitzunehmen.
    Na los, Blaze. Geh aufs Ganze.
    Blaze holte tief Luft und atmete wieder aus. Dann löste er die Decken und wickelte sie um das Baby, als er es hochhob. Er hielt es behutsam in den Armen. Das Baby wimmerte leise und reckte sich. Seine Lider flackerten. Es machte ein kleines Geräusch wie ein Kätzchen. Dann schlossen sich seine Augen wieder, und sein Körper entspannte sich.
    Blaze atmete erleichtert aus.
    Er drehte sich um, kehrte zur Tür zurück, betrat wieder den Flur, begriff, dass er mehr tat, als einfach nur das Zimmer des Jungen zu verlassen, das Kinderzimmer. Er überschritt eine Linie. Er konnte jetzt nicht mehr behaupten, nur ein kleiner Einbrecher zu sein. Wonach er wirklich gesucht hatte, hielt er in seinen Armen.
    Mit einem schlafenden Säugling die Leiter hinunterzuklettern war unmöglich, und Blaze zog es nicht einmal in Erwägung. Er ging zur Treppe. Der Flur war mit Teppichboden ausgelegt, die Treppe jedoch nicht. Sein erster Schritt auf die erste gebohnerte hölzerne Stufe war laut, unüberhörbar und ungedämpft. Er verharrte, lauschte, stand in seiner Angst wie gebannt da, doch das Haus schlief weiter.
    Jetzt aber begannen seine Nerven zu vibrieren. Das Baby in seinen Armen schien immer schwerer zu werden. Panik nagte an seiner Entschlusskraft. Er schien in den Augenwinkeln Bewegungen wahrzunehmen – zuerst auf einer Seite, dann auf der anderen. Mit jedem Schritt erwartete er, dass das Baby anfing zu heulen. Und wenn es erst einmal angefangen hätte, dann würde sein Heulen das ganze Haus aufwecken.
    »George …«, brummte er. »Geh weiter«, sagte George von unten. »Gehen, nicht laufen. Geh dem Klang meiner Stimme entgegen, Blazer.«
    Blaze begann, die Treppe hinunterzugehen. Es war unmöglich, sich völlig lautlos zu bewegen, aber zumindest war keiner seiner Schritte mehr so laut wie dieser schreckliche erste. Das Baby wurde durchgeschüttelt. Er konnte es nicht absolut still halten, so sehr er es auch versuchte.
Bislang schlief der Kleine noch, aber jede Minute, jede Sekunde …
    Er zählte. Fünf Schritte. Sechs. Sieben. Ein achter. Es war eine sehr lange Treppe. Gemacht, vermutete er, damit prächtig gekleidete Fotzen bei großen Bällen wie in Vom Winde verweht hinauf- und hinunterschweben konnten. Siebzehn. Achtzehn. Neun…
    Es war die letzte Stufe, und sein unvorbereiteter Fuß trat wieder zu fest auf: Klack! Der Kopf des Babys zuckte. Es stöhnte. Ein sehr lautes Geräusch inmitten der Stille.
    Oben ging ein Licht an.
    Blaze riss die Augen auf. Adrenalin schoss ihm in Brust und Bauch, ließ ihn sich anspannen und das Baby fest an sich drücken. Er zwang sich, lockerer zu werden – zumindest ein bisschen –, und trat in den Schatten des Treppenhauses. Dort blieb er bewegungslos stehen, das Gesicht verzerrt zu einer Maske aus Angst und Entsetzen.
    »Mike?«, rief eine schläfrige Stimme.
    Hausschuhe schlurften oben ans Geländer.
    »Mikey-Mike, bist du das? Bist du das, du ungezogenes Ding?« Die Stimme befand sich genau über ihm, sprach in einem betont gedämpften Die-anderen-schlafen-doch-Ton. Es war eine alte, nörglerische Stimme. »Geh in die Küche und sieh dir die schöne Untertasse mit Milch an, die Mama für dich hingestellt hat.« Kurzes Schweigen. »Falls du über eine Vase stolperst, wird Mama dir den Hintern versohlen. «
    Wenn der Kleine jetzt anfing zu heulen …
    Die Stimme über Blaze brummte etwas, zu undeutlich, als dass er es hätte verstehen können, und dann entfernten sich
die Hausschuhe schlurfend. Es folgte eine Pause – sie kam ihm wie hundert Jahre vor –, dann fiel eine Tür leise ins Schloss und sperrte das Licht aus.
    Blaze rührte sich nicht, versuchte, ein aufsteigendes Zittern zu bezwingen. Zittern könnte den Kleinen aufwecken. Würde ihn sogar höchstwahrscheinlich aufwecken. Wo ging’s zur Küche? Wie sollte er Leiter und Kind gleichzeitig tragen? Was war mit dem Elektrozaun? Was – wie – wo –
    Er bewegte sich weiter, um die Fragen zu ersticken, schlich den Flur hinab, beugte sich über das eingewickelte Kind wie eine Hexe. Er sah eine Doppelglastür einen Spalt offen stehen. Dahinter schimmerten gebohnerte Fliesen wie ein stiller Teich. Blaze schob sich hindurch und befand sich in einem Esszimmer.
    Es war ein üppig ausgestatteter Raum. Der Mahagonitisch war wie gemacht dafür, an Thanksgiving Truthähne von zwanzig Pfund und dampfende Braten an Sonntagnachmittagen zu tragen. Hinter den Glastüren einer hohen, schicken

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