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Qual (German Edition)

Qual (German Edition)

Titel: Qual (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King , Richard Bachman
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Frank Therriault war diesem Wichser keine Rechenschaft schuldig. Er mochte Blazes breite Schultern. Therriault, selbst ein ruhiger Mann, mochte ebenfalls Blazes Art, Ja und Nein zu sagen und nicht viel mehr. Auch hatte der Junge offenbar kein Problem mit harter Arbeit. Er konnte den ganzen Nachmittag Dachschindeln eine Leiter hinauftragen oder Fünfzig-Kilo-Säcke Zement schleppen. Er trug Möbel aus den Klassenzimmern und Aktenschränke die Treppen hinauf und hinunter, ohne auch nur mit einer Silbe zu protestieren. Das Wort Kündigung existierte für ihn nicht. Und das Beste? Er schien glücklich und zufrieden mit einem Dollar sechzig die Stunde, was Therriault erlaubte, sich selbst zusätzliche sechzig Mäuse wöchentlich einzustecken. Schließlich kaufte er seiner Frau einen superschicken Kaschmirpullover. Er hatte einen tiefen V-Ausschnitt. Sie war begeistert.
    Auch Blaze war erfreut. Er verdiente coole dreißig Mäuse die Woche, was mehr als genug war fürs Kino plus so viel Popcorn, Süßigkeiten und Limos, wie er verputzen konnte. Er bezahlte auch Johns Eintrittskarte, und das mit Freuden. Liebend gern hätte er ihm auch noch alle möglichen Snacks bezahlt, aber John reichte normalerweise der Film. Mit offenem Mund starrte er auf die Leinwand.
    Im Hetton House begann John, Geschichten zu schreiben. Es waren holprige Sachen, mit starken Anleihen bei den Filmen, die er sich mit Blaze ansah, aber allmählich verschaffte er sich mit ihnen eine gewisse Popularität unter den Gleichaltrigen. Die anderen Jungs fanden es nicht gut, wenn man klug war, aber sie bewunderten eine gewisse Art von Cleverness. Und sie liebten Geschichten. Sie sehnten sich nach Geschichten.
    Bei einem ihrer Ausflüge sahen sie sich einen Vampirfilm mit dem Titel Messias des Bösen an. John Cheltzmans Version gipfelte darin, dass Graf Igor Yorga einer halb nackten jungen Schönheit »mit bebenden Brüsten, so groß wie Wassermelonen«, den Kopf abriss und dann mit dem Kopf unter dem Arm in den Fluss Yorba sprang. Der Titel dieses seltsamen Underground-Klassikers lautete Yorga beobachtet dich .
    Aber an diesem Abend wollte John nicht gehen, obwohl ein weiterer Horrorfilm gezeigt wurde. Er hatte Dünnschiss. Er war im Laufe des Tages schon fünfmal auf dem Klo gewesen, trotz einer halben Flasche Pepto von der Krankenstation (ein besserer Wandschrank im ersten Stock). Er hatte das Gefühl, dass es noch nicht ausgestanden war.
    »Komm schon«, drängte Blaze. »Im Nordica gibt’s ein super Scheißhaus im Keller. Ich war dort selbst schon mal kacken. Wir suchen uns auch einen Platz ganz in der Nähe.«
    So überredet, trotz des furchtbaren Gegrummels in seinen Innereien, ging John mit Blaze und stieg in den Bus. Sie saßen ganz vorn, direkt hinter dem Fahrer. Immerhin waren sie jetzt fast schon die Großen.
    Während die Vorschauen liefen, war mit John noch alles in Ordnung, aber gerade als das Logo von Warner Bros. auf
der Leinwand auftauchte, stand er auf, schob sich an Blaze vorbei und schlich in einem krebsartigen Gang Richtung Toiletten. Blaze hatte durchaus Mitgefühl, aber hey, so war das Leben. Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die große Leinwand, wo ein Sandsturm über eine Landschaft hinwegfegte, die aussah wie die Desert of Maine, nur eben mit Pyramiden. Nicht lange, und er war völlig in die Geschichte versunken, die Stirn in tiefen konzentrierten Falten.
    Als John sich wieder neben ihn setzte, registrierte er ihn zunächst kaum, bis John anfing, an seinem Ärmel zu reißen und zu flüstern: »Blaze! Blaze! Mensch, Blaze!«
    Blaze tauchte aus dem Film auf wie ein Tiefschläfer aus einem Nickerchen. »Is’n los? Geht’s dir nicht gut? Hast du dir in die Hose geschissen?«
    »Nein … nein. Sieh dir das an!«
    Blaze starrte auf das, was John nicht ganz auf Sitzhöhe hielt. Es war eine Brieftasche.
    »He! Woher hast du …«
    »Pssst!«, zischte jemand vor ihnen.
    »… das denn?«, beendete Blaze flüsternd seine Frage.
    »Vom Männerklo!«, flüsterte John zurück. Er zitterte vor Aufregung. »Muss so ’nem Kerl aus der Hose gerutscht sein, als er sich hingesetzt und einen Neger abgeseilt hat! Da ist Geld drin! Viel Geld!«
    Blaze nahm die Brieftasche, hielt sie so, dass niemand sonst sie sehen konnte, und öffnete das Fach für Scheine. Er bekam ein flaues Gefühl im Magen. Und dann machte es einen Satz und schien ihm den Hals zuzuschnüren. Das Geldscheinfach war prall gefüllt. Ein, zwei, drei Fünfzigdollarscheine.

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